Strickprojekte (3): Raglan von oben How-to, 2. Teil

Den ersten Teil mit den Grundlagen gibt es unten nochmal oder hier. Heute kommen wir zu den Feinheiten.

Die richtige Länge der Raglanlinie

Ganz einfach: messen.

Man nehme ein Maßband und messe die Strecke zwischen dem Punkt, wo die Raglanlinie vorne sitzt (also meist irgendwo auf dem Schlüsselbein) bis unter den Arm. Dabei nach Geschmack eine entsprechende Weite berücksichtigen. Je länger die Raglanlinie, desto weiter sitzt es unter dem Arm und bei gleichmäßigen Zunahmen wird der Pullover insgesamt weiter.

Wie groß soll der Pullover werden?

Je mehr ich darüber nachgedacht hatte, desto komplizierter wurde es in meinem Kopf. Daher eher allgemein:

  • Es hilft ungemein, einen Pullover, den man von der Größe her mag, mal auszumessen. Also Breite, Länge und auch die Ärmelweite (ich hasse eng sitzende Ärmel). Mit Hilfe der Maschenprobe hat man dann eine Vorstellung, wieviele Maschen das Vorder- bzw. Rückenteil haben soll. Ausgehend von den Maschen des Halsausschnitts bekommt man dann eine Idee, wieviele Reihen man stricken muss “bis unter den Arm” und daraus mit HIlfe der Maschenprobe die Länge von der Schulter bis dorthin abschätzen. Man kann das natürlich auch genau ausrechnen, endlich mal eine praktische Anwendung des Satzes von Pythagoras.
  • Wer eher schmal gebaut ist, sollte nach zehn cm auf eine Zunahme am Raglan nur in jeder 3. Reihe übergehen.
  • Wer es weit und gemütlich mag, kann abwechselnd jede bzw. jede zweite Reihe zunehmen (also Reihe 1,3,4,6,7,9 und so weiter)

Ärmel ausrechnen

Wir befinden uns nun am Ende des Raglanteils, sprich: der obere Teil ist fertig gestrickt. Nun muss man die Länge der Ärmel und notwendige Abnahmen ausrechnen.

Dazu muss man leider etwas Extraarbeit einplanen. Die Maschen von Vorder- und Rückenteil werden eh stillgelegt, am besten auf einen (andersfarbigen) Faden ziehen, der lang genug ist. Selbiges mit dem zweiten Ärmel machen. Und dann einfach mal anprobieren. Dann sieht man auch gleich, ob man die Weite richtig eingeschätzt hat und wie es insgesamt gefällt.

Dann die verbleibende Ärmellänge messen (lassen) sowie die Weite am Handgelenk. Maschenprobe nehmen, Maschen am Ärmelende ausrechnen und von den vorhandenen Ärmelmaschen abziehen. Reihenanzahl berechnen aus der verbleibenden Ärmellänge. Und dann einfach die Abnahmen verteilen und daran denken, dass man normalerweise beidseitig abnimmt. Ggf. sollte man auch noch ein Bündchen einplanen und diese Reihen nicht mit einberechnen.

Einen V-Ausschnitt stricken

Ausnahmsweise wird es jetzt mal einfach. Am Anfang nimmt man für die rechte und linke Seite des Vorderteils nur jeweils eine Masche auf. In der vierten Reihe (also die zweite Reihe mit rechten Maschen, wir starten ja mit einer Rückreihe!) wird jeweils eine Masche zugenommen. Dann in jeder weiteren vierten Reihe. Wenn die Vorderteile in Summe so viele Maschen wie das Rückenteil haben zur Runde schließen.

Einfach, oder?

Eine Jacke stricken

Das ist nun noch einfacher – man schließt einfach nicht zur Runde, sondern strickt weiter Hin und Her. Beim V-Ausschnitt bitte nicht immer weiter Maschen zunehmen, das wird dann schon merkwürdig. Bei einem runden Ausschnitt die mittleren Maschen nach links und rechts aufteilen.

Einziger Haken: bitte links und rechts eine Randmasche berücksichtigen!

Ringel stricken

Stricken Ringelpullover grün weiß Raglan von oben RVO

Das Problem bei den Ringeln: sobald man in Runden strickt, muss man irgendwo den Übergang zwischen den Farben verstecken. Beim Hin- und Herstricken wechselt man ja einfach am Rand.

Bei diesem Pullover habe ich es so gemacht:

  • solange der V-Ausschnitt gestrickt wird, am Rand die Farben wechseln
  • sobald die Runde kommt, muss man in der Raglanlinie verstecken. Dazu nicht einfach weiterstricken, sondern – sobald die erforderliche Maschenanzahl für die Runde erreicht ist – die Fäden abschneiden. Alle Maschen bis zu einer hinteren Raglanlinie auf die rechte Stricknadel schiebe und an der Raglanlinie weiterstricken. Ich habe bei dem Pullover eine linke Masche als Raglanlinie, darin kann man das prima verstecken:
Ringel in der Raglanlinie verstecken
  • Kniffeliger wird es bei den Runden, natürlich wurde ich auf Youtube fündig (Link). Das sieht dann so aus
Ringelmuster bei Runden stricken

Zugegeben: wer ganz genau hinsieht, merkt es. Vielleicht.

Wie bringe ich einen stattlichen Männerbauch unter?

Ehrlich gesagt habe ich für diesen Fall noch keinen Pullover gestrickt. Aber logischerweise braucht man mehr Maschen am Vorderteil und zwar erst ab einer gewissen Höhe.

Ich würde es wie folgt machen:

  • Umfang unter den Armen messen
  • Bauchumfang messen
  • Maschendifferenz ausrechnen anhand der Maschenprobe und diese Maschen dann (Strickstück einfach anhalten) an der richtigen Stelle über das Vorderteil verteilt zunehmen. Also z.B. bei 100 Maschen und 10 Zunahmemaschen nach der Randmasche und dann alle zehn Maschen.

So, das war der zweite Teil.

Kann ich euch noch weiterhelfen?? Fragen, Probleme??

Raglan von oben How-to, 1. Teil

Meine Raglans von oben erfreuten sich beim letzten Post größerer Beliebtheit (Link) und wie versprochen erkläre ich heute, wie man das eigentlich strickt. Bei der Vorbereitung habe ich dann gemerkt, dass es doch umfangreiche Erläuterungen werden. Deshalb heute die Grundlagen und nächste Woche Freitag diverse Tipps und Tricks.

Stricken Ringelpullover grün weiß Raglan von oben RVO

Vorteile des Raglan von oben (=RVO)

Ich mag die aus drei Gründen

  • der Schnitt steht mir – er passt zu meinen breiten Schultern. Wer Raglanpullover mag, ist hier richtig.
  • man kann das einfache Grundmuster unendlich variieren, runder oder V-Ausschnitt, Pullover oder Jacke
  • die Größe ist flexibel an alle Körperformen anpassbar

Einen Nachteil gibt es allerdings auch: manche Strickmuster (Patent) oder auch komplizierte Muster wie Aran, Zöpfe etc lassen sich nur sehr schwer stricken, da diese meist auf “Hin und herstricken” ausgelegt sind. Außerdem sind die Zunahmen schwierig zu berechnen. Das ist dann schon die hohe Strickkunst.

Wie geht es grundsätzlich?

Ziemlich simpel:

  1. Anfangsmaschen aufnehmen
  2. in jeder zweiten Reihe an den Raglanlinien je zwei Maschen zunehmen
  3. Zunahmen für den Ausschnitt beachten (s. unten)
  4. Ist man unter den Armen angekommen, wird unterteilt in Vorder- und Rückenteil und die beiden Ärmel, die drei Teile werden dann getrennt fertig gestrickt. D.h. Vorder- und Rückenteil werden weiter in Runden fertig gestrickt (aufpassen, dass keine Löcher unter den Armen entstehen, da bei den ersten zwei Runden ganz fest stricken). Die Ärmel kann man hin und her stricken (mache ich am liebsten) oder auf einem Nadelspiel auch in Runden. Dann hat man überhaupt keine Nähte!
  5. Ggf. Ärmelnähte schließen und ggf. ein Halsbündchen anstricken.
  6. Fertig!

(den Teil mit dem lästigen Vernähen der Fäden habe ich mal weggelassen…)

Messen, probestricken und rechen

Das ganze Projekt steht und fällt damit, dass man den Pullover vorher ausrechnet. Das ist eigentlich ziemlich einfach:

  1. gewünschten Halsumfang messen – bei mir ist das immer etwas mehr, da ich gerne große Ausschnitte mag und alles enge am Hals hasse -> ich nehme 54 cm
  2. Maschenprobe stricken: ich nehme meist 40 Maschen (Nadelstärken zwischen 3,5 und 6, sonst etwas mehr oder weniger) und stricke zwölf Zentimeter im gewünschten Muster. Bei RVOs ist es meist glatt rechts. Dann kann man genau schauen, wieviele Maschen und Reihen man auf jeweils 10cm braucht.

Die Raglanlinie

Außerdem sollte man sich überlegen, wie man die Raglanlinie macht. Die einfachste Variante ist bei Pullovern in glatt rechts eine oder zwei linke Maschen, darum werden dann die Zunahmen gestrickt. Die kann man entweder verschränkt heraus stricken (=unsichtbare Zunahmen) wie bei dem geringelten Pullover oben.

Oder man kann mit Umschlägen zunehmen, das gibt ein hübsches Lochmuster. Bei Umschlägen aber aufpassen, dass man es spiegelverkehrt macht. Rechts von der Raglanlinie (also vor der Raglanmasche) einen normalen Umschlag machen, hinter der Raglanmasche dann den Faden genau andersherum um die Stricknadel! Sonst sieht das SEHR merkwürdig aus.

Man kann aber auch wie bei diesem Pullover mehr Maschen nehmen:

Stricken roter Pullover Zopfraglan Raglan von oben RVO

Hier hat jede Raglanlinie sechs Maschen: 1 li, 4 re (für den Zopf), 1 li. Der Zopf selbst wird dann nach Geschmack alle vier, sechs  oder acht Reihen gestrickt, hier sind es alle sechs Reihen. Die Zunahmen sind verschränkt heraus gestrickt.

Pullover ausrechnen

Zum Ausrechnen empfehle ich einen RVO-Rechner. Man gibt die cm für 20 Maschen an, den gewünschten Halsumfang und die Maschenanzahl für eine Raglanlinie. Der Rechner gibt dann zurück, wie viele Maschen man für Rückenteil, Ärmel und Vorderteil braucht.

Wer mag, kann sich den RVO-Rechner in meiner Google-Tabelle anschauen Ich habe meine Tabelle aus dem Netz genommen, da es wohl einige Leute lustig fanden, diese ständig zu verändern oder komplett zu leeren.

Der Ausschnitt ist vorne immer etwas tiefer, daher werden gedanklich drei Teile angesetzt – linke und rechte Seite und das Mittelteil, dass man ein paar Reihen später aufnimmt.

Und nun der Anfang

Man nimmt die Maschen für Rückenteil, Raglanlinien, Ärmel und jeweils nur eine Masche für Vorderteil links und rechts.

Für mein erstes Beispiel gehe ich von einem Pullover in glatt rechts mit rundem Ausschnitt aus:

  1. Man startet mit einer Rückreihe, d.h. linke Maschen. Dabei die Raglanmaschen wie gewünscht stricken, wer mag, kann mit Büroklammern oder Maschenmarkierern (diese winzig kleinen Haargummis gehen auch gut) die Raglanmaschen kennzeichnen. Ich mache das nicht mehr, die ersten Reihen muss ich eh zählen und danach sehe ich das Muster.
  2. In der 2. Reihe und jeder weiteren geraden Reihe bei einem runden Ausschnitt jeweils am Ausschnitt eine Masche zunehmen und die Zunahmen an der Raglanlinie stricken.
  3. Hat man die für die seitlichen Vorderteile erforderliche Maschenanzahl erreicht, werden die Maschen für die Mitte einfach zusätzlich aufgenommen und danach wird ENDLICH in Runden gestrickt. Dann erfolgen die Zunahmen nur noch an den Raglanlinien.

So, und nun fangen alle mal an zu stricken, stellen ganz viele Fragen und ich erkläre in der nächsten Woche:

  • wie man einen V-Ausschnitt strickt
  • wie man die richtige Länge der Raglanlinie bestimmt
  • wie man schmalere oder weitere Pullover strickt
  • wie man die Ärmel ausrechnet
  • wie man Ringel strickt

Habt ihr noch andere Fragen??

5 Kommentare

Liebe Irit, diese Beschreibungen haben mich sehr angeregt. ich stricke gut und gerne, als der “November-Pulli” fertig war, habe ich mit RVO angefangen. Ein bisschen herumgerechnet, zwei Besuche im Wollgeschäft meines Vertrauens und Anprobe an der dortigen Puppe, ist jetzt mein erster Raglan-von-oben-Pulli in einem Stück fertig. Ich habe sogar Zöpfe an den vorderen Raglan-Nähten eingearbeitet und diese an der Seite weitergeführt. So hielt sich das langweilige Nur-rechts-Stricken in Grenzen. Eine tolle Anregung, die ich sicher weiter ausbaue. Danke!

das hört sich ja gut an! Ich experimentiere gerade mit einer Jacke, bei der der Schalkragen gleich mitgestrickt wird. Ich muss unbedingt mal wieder Bilder machen!

Hallo Irit, ich wüsste gerne ob ich ab einem gewissen Punkt nur noch an den Ärmeln zunehmen kann, damit VT und RT nicht ganz so voluminös werden. Danke für deine Antwort!

Schöne Grüße
Uta

na klar, ich habe da auch verschiedene Varianten probiert. Man kann z.B. generell nur noch in jeder 3. Reihe zunehmen. Für nicht ganz so weite Ärmel mache ich bei den Ärmeln jede 3. Reihe und am Körper jede 2. Reihe. Kann man natürlich auch umgekehrt machen. Ich würde das einfach ausrechnen. Sprich: wie weit soll der Pullover unter den Armen sein -> auf die Maschenzahl musst du für vorne und hinten kommen. Dito an den Ärmeln. Dann noch die Höhe ausmessen und die Zunahmen entsprechend verteilen.

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