In den letzten Jahren ist Minimalismus sogar ein riesengroßes Wort geworden. Der Duden sagt dazu:
Bewusste Beschränkung auf ein Minimum, auf das Nötigste
Duden.de
Aber warum soll man sich bewusst auf das Nötigste beschränken?
Genau das ist die wichtigste Frage, denn sie beinhaltet gleich mehrere wichtige Aspekte.
- Sich bewusst zu machen, wie man leben möchte.
- Darüber nachzudenken, was man für sich selbst (oder die Familie, Lebensgemeinschaft etc) als nötig empfindet.
- Die gefunden Erkenntnisse als freiwillige Selbstbeschränkung auch umzusetzen.
Individualismus
Wie man sieht, geht es hier um höchstpersönliche Sichtweisen und Entscheidungen. Deswegen finde ich auch die diversen Challenges wie:
- nur 333 Dinge besitzen
- einen Kleiderschrank mit 20 oder 30 Sachen (oder was auch immer)
- nur vier Tassen besitzen
- usw usw
völlig lächerlich. Warum sollte ich die Lebensweise anderer Leute kopieren? Ich bin die Einzige, die weiß, was mir wichtig ist. Und wenn das 27 verschiedene Kaffeebecher sind, ist das meine Sache.
Aber wenn man nun möchte?
Empfehle ich für den Anfang sich selbst drei Fragen zu stellen:
- warum denke ich darüber nach?
- was möchte ich erreichen?
- was fühlt sich gut für mich an?
Normalerweise denkt man über ein Thema nach, wenn ein gewisser Leidensdruck besteht. Denn nur, wenn etwas rumort, gibt einen Anlass etwas zu ändern. Die Bandbreite ist potentiell groß:
- Trotz toller Organsisation in Schränken, Schubladen, Regalen etc. quillt die Wohnung über und das Sauberhalten der Besitztümer ist auch nicht so einfach
- Der Terminkalender ist einfach zu voll
- Verpflichtungen aller Art überfordern dauerhaft
- Mehr Zeit und Energie für Familie, Freunde, Hobbys, Beruf oder auch andere Dinge zu haben
- Ein Umzug steht an und es kann bzw. soll nicht alles mit
- Das Leben ändert sich: Scheidung, neue Heirat, Enkelkind (ich merke gerade, dass sich die großen Themen geändert haben). Oder eine neue berufliche Herausforderung oder der Ruhestand.
- Der allgemeine Konsumwahn ist nicht gut für unseren Planeten und unsere Nachkommen
- Abbau von Schulden
- Ein dauergestresstes Gefühl und man freut sich nicht mehr auf den Tag, sondern will ihn nur noch überstehen
Vermutlich trifft obige Liste in Teilen und unterschiedlicher Schwere auf uns alle zu. Nennt sich halt Leben. Die Frage ist dann: was möchte ich wirklich ändern? Womit geht es mir besser?
Es geht nicht ums aufräumen oder wegwerfen, sondern darum, allem, was wichtig ist, mehr Raum zu geben und den Rest – ok, da ist das Wort – zu entsorgen. Soweit es eben geht. Die wichtigen Dinge können sehr unterschiedlich sein:
- Zeit für Freunde und / oder die Familie
- geordnete Finanzen
- Energie und Zeit für ein Hobby
- Geld und Zeit für Reisen
- Freier Kopf für berufliche Ambitionen
Bei mir hat es ganz profan mit dem Wunsch angefangen, in einer Wohnung zu leben, in der alles seinen Platz hat, wo es immer aufgeräumt ist und in die ich komme und mich wohlfühle. Das hat sich dann irgendwie ausgeweitet…
Womit wir bei der letzten Frage sind: was fühlt sich denn gut an?
Da hilft nur eins: ausprobieren. Mit kleineren Maßnahmen anfangen, eine Zeit damit leben und ehrlich darüber nachdenken, ob das jetzt genug oder zu wenig ist. Genug ist eine sehr persönliche Definition, aber für mich bedeutet es: Dinge, die einen Mehrwert darstellen, die nützlich sind oder an denen ich Freude habe, behalten. Und beim Rest ernsthaft darüber nachzudenken, ob die wirklich bleiben.
Meine Definition von Minimalismus
Ich fühle mich immer etwas unwohl damit, meine persönliche Lebensweise philosophisch zu verbrämen – so auch beim Minimalismus. Ich folge bewusst keiner wie auch immer ausgeprägten Ideologie, sondern ich möchte ganz schlicht ein schönes Leben haben. Lebensumstände, die mich zufrieden und glücklich machen und eine Wohnung, in der ich gerne lebe.
Daher gibt es von mir auch keine Definition von irgendwas, sondern einfach nur meine guten Wünsche an euch, es euch schön im Leben zu machen. Was dann ab und an auch unbequeme Dinge beinhaltet.
Wie seht ihr das?
8 Kommentare
Ja auch so. Diese Duden-Definition ist ja das Extrem, dass es auch gibt. Es gibt Leute, die sich damit überhaupt erst lebendig fühlen, ich gehöre nicht dazu, sondern betrachte es, wie auch in vielen Fachbüchern zum Thema, als bewusste Reduktion eines „Zuviel“, auch gar nicht mal nur materiell, es ist ein alles durchdringendes Prinzip des Bewusstmachens, was einem wirklich guttut und was eigentlich unmerklich belastet.
Ich überlege jetzt, ob sofortige Befriedigung eines Impulses wirklich ist, was mich länger befriedigt oder langfristig Probleme schafft und wenn es mich kurzzeitig befriedigt, was ab und zu okay ist, wie ich das wieder ausbalanciere und loswerde. Ich war mal überrascht, als ich entdeckt habe, dass auch Essen als Genussmittel dazu gehört und nicht nur volle Schränke.
Mir bedeutet Mode viel, schon immer, was nie leere Schränke schafft. Ich neige allerdings dazu, meine jeweilige aktuelle Lieblingsklamotte Tag und Nacht zu tragen und verkürze die Zeit, in der es in meinem Leben ist und nicht mehr getragen wird, was okay ist, weil es dann auch oft physisch verschlissen ist, so oft, wie ich es getragen habe.
Vielen anderen ist das dagegen völlig unwichtig, man lernt sich auch gut kennen, wenn man merkt, auf was man auf keinen Fall verzichten will.
Es ist wie mit der Seele. Von außen brüllt alles laut auf einen ein, die eigene Stimme ist aber leise und wenn man sie hören will, muss man kuratieren, wann, was und wieviel man von außen reinlässt, schon damit es überhaupt eine Chance hat und auch, die Oberflächlichkeit nicht überhand nehmen zu lassen, was auch mehr Sinn und echte Erfüllung bedeutet, es sei denn, man kann und will nur so. Es gibt jede Menge schwere Pakete, die Menschen tragen und mitunter ist dann genau das dann die Balance – zumindest für eine Zeit.
Was andere machen, auch wenn sie nur wirklich radikal minimal leben, sollte keine Rolle spielen, Selbstakzeptanz schafft auch fast immer Akzeptanz für andere Schwerpunkte und Lebensentwürfe. Es macht uns auch selbst zu angenehmeren Wesen, lässig zu sein, auch uns selbst. Ich bin auch so gern hier, weil du selten (fast nie) über irgendwas lästerst. Das ist wie Urlaub für meine Seele. Die meisten steigen gern auf Lästern ein, man kommuniziert ja auch intensiv, was verbindet, aber es bleibt kein gutes Gefühl zurück, sondern das Gefühl verstärkt sich, dass einen was ärgert. Was man Energie zufügt, verstärkt sich. Ich halte mich da inzwischen bewusst raus, wo ich nur kann.
Minimalismus hat so viele Seiten, wenn einem das System liegt, ist es völlig themenübergreifend, auch wenn Einzelbereiche nicht so wirken – aber dann ist das ja wirklich das, was einen glücklich macht in dieser Lebenssphase – oder gar überhaupt.
Da schreibst du zwischendrin einen sehr wichtigen Punkt auf: “man lernt sich auch gut kennen, wenn man merkt, auf was man auf keinen Fall verzichten will”
Allerdings ist das eine echte Herausforderung – weil ständig von außen alles mögliche herangetragen wird.
Ich nenne es nicht Minimalismus, sondern Fokussierung auf das (für mich) Wesentliche. Es ist auch nichts was ich mir bewusst vornehme, sondern es entsteht einfach aus meinen Prioritäten heraus.
Zum Beispiel sind mir einige sportliche (und kostspielige) Aktivitäten heilig. Um mir diese erfüllen zu können, „verzichte“ ich an anderer Stelle. Ich brauche nicht die neueste Mode und die vorhandenen Möbel im Haus sind auch sehr übersichtlich. Diese Einschränkung empfinde ich jedoch nicht als Verzicht, es ist mir einfach nicht so wichtig, also fehlt mir auch nichts.
Dieser Minimalismus Gedanke scheint mir sehr verkopft und aufgesetzt. Es verhöhnt auch ein bisschen die Menschen, die sich kaum was leisten können. Die sind gezwungen minimalistisch zu leben.
Aus deiner Beschreibung würde ich sagen: ein perfekter minimalistischer Lebensentwurf 😉 Konzentration auf das für dich Wesentliche.
Im Endeffekt sind Lebensentwürfe, über die man gezielt nachdenkt, immer verkopft – das ist das Wesen der Philosophie. Man dödelt halt nicht vor sich hin, sondern stellt Fragen und sucht Antworten. Ich sehe das auch nicht als Verhöhnung armer Menschen, denn das hieße, das minimalistisch leben sich ausschließlich am Konsum bemisst, ein negativer Maßstab. Es ist ein mögliches Vehikel um glücklicher zu leben.
Ich mache schon einen Unterschied zwischen erzwungener und freiwilliger Selbstbeschränkung. Erzwungen würde ich nie minimalistisch bezeichnen, schon, weil ich das als Gesamtkonzept empfinde. Ich habe ziemlich lange sehr bescheiden gelebt – was kein Minimalismus war. Im Gegenteil: ich strebte ja nach mehr, konnte mir das damals nur nicht leisten. Eine andere innere Haltung.
Was habe ich? Was brauche ich? Was will ich? Was macht mir mehr Arbeit/Ärger als Freude? Was belastet mich?
Bei mir ging es mit dem Kleiderschrank los. Dieser wurde immer voller, unübersichtlicher und auf der Kleiderstange hätte kein weiterer Kleiderbügel (manche Bügel waren eh schon doppelt oder dreifach belegt) Platz gehabt. Und da ich fast nur schwarz trage, hat sich irgendwann die Frage gestellt: Wohin mit der 25. schwarze Bluse? Wohin mit dem 30. schwarzen T-Shirt? Wohin mit dem 15. schwarzen Cardigan? Brauche ich ein 10. Paar schwarze Boots? Zudem habe ich festgestellt, dass ich eigentlich eh immer nur zu den selben fünf T-Shirts, fünf Blusen und fünf Pullis greife und der Rest einfach sinnlos im Schrank hängt bzw. liegt. Naja, und dann war es eigentlich nicht mehr weit zum nächsten Schritt. An einem Sonntag habe ich mich dann daran gemacht, alles was mir nicht mehr gefällt, was nicht mehr passt, was kratzt, kneift oder unbequem ist, was ich noch nie angezogen hatte.. ja, auch da gab es einige Teile!.. auszumisten. Das Ergebnis war ein schöner, übersichtlicher geordneter, luftiger Kleiderschrank, bestückt mit Kleidungsstücken, die mich glücklich machen, in denen ich mich wohl fühle, die ich einfach sehr gerne und regelmäßig trage. Ich kaufe jetzt nur noch selten neue Kleidung, eigentlich nur wenn ich wirklich ein neues Kleidungsstück brauche. Und dann gilt: “alt gegen neu”, d.h. es muss dafür ein anderes Teil weichen. Peu à peu habe ich dieses Prinzip auch auf andere Bereiche (Küche, Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Keller) ausgeweitet. Und auch so eine nebensächlich und anscheinend unbedeutend Sache wie meine Putzkiste musste dran glauben. Statt zig Flaschen mit WC-Reiniger, Glasreiniger, Badreiniger, Scheuerpulver, Entkalker, Bodenreiniger, Ceranfeldreiniger Edelstahlreiniger und und und, habe ich jetzt ein Kästchen mit einem Neutralreiniger, einem Badreiniger auf Wasserstoffbasis, Natron und Zitronensäure. Und auch im Bad habe ich nur noch die Hälfte an Flaschen, Fläschchen, Töpfen und Tiegeln.
Für mich war und ist das alles ein sehr organischer Prozess, der sich für mich sehr gut und natürlich anfühlt. Ich habe das Gefühl, dass ich wieder “besitze” und der Besitz nicht mich besitzt und das macht mich frei und sehr zufrieden.
Ich wünsche euch allen trotz Nebel und novembergrau eine bunte Woche.
Wahrscheinlich kann ich mich mit dem Wunsch nach Minimalismus nicht identifizieren, weil es bei mir nie unwichtiges gab. Bei mir dauert es immer sehr lange, bis ich etwas kaufe, ich überlege vorher zu viel, ob ich es brauche und benutze.
Was dann da ist, darf auch nicht so schnell gehen, weil es garantiert gebraucht wird, wenn es weg ist. 🙂 Und dann wieder kaufen … Geiz ist gei …
Kleidung habe ich auch nicht viel. Was ich auf der Arbeit nicht mehr tragen möchte, trage ich zu Hause auf und danach im Garten 🙂
Ich kann gar nicht so viel Kleidung haben, weil ich shoppen nicht mag, für mich ist das Zeitverschwendung 🙂
So unterschiedlich sind die Lebensgewohnheiten, manche bewundere ich. Jeder wie er mag.
30 schwarze T-Shirts … ich bewundere dich 🙂 Aber kann dann auch den Wunsch nach Reduzierung verstehen.
Ohje, ich habe 3 Paar Sommer und 3 Paar Winterschuhe, alles Lieblingsschuhe, sieht man ihnen aber nicht an und werden entsprechend ersetzt 🙂
3 Hosen im Sommer, 3 Hosen im Winter, noch nie mehr gehabt. Eine wird getragen, eine zum Wechseln, eine in der Wäsche.
Oberteile aber schon ein paar mehr.
Schlimm nicht war 🙂
Allerdings trage ich Dienstkleidung, die ich nicht dazu zähle, aber auch da gibt es die Zahl 3 🙂
Liebe Maggy,
nagel mich nicht fest, ob es wirklich 30 oder “nur” 22 T-Shirts waren.. auf jeden Fall war es von allem viel zu viel. So ähnlich wie du, handhabe ich es jetzt auch und ich finde das überhaupt nicht “schlimm”.. im Gegenteil. Schlimm ist, dass ich da nicht schon früher darauf gekommen bin. 🤷🏼♀️