Mein Thema des Jahres (oder vielleicht auch des Jahrzehnts): Gelassenheit.
In den letzten Jahren hatte ich mich im Zuge des Aufbaus meines neuen Lebens ziemlich dem Minimalismus gewidmet, was mir gut bekommen ist. Im letzten halben Jahr habe ich aber gemerkt, dass ich oft abgehetzt und “unter Strom” bin – obwohl es eigentlich keinen richtigen Grund gab. Also habe ich mir vorgenommen: alles mal etwas gelassener angehen. Denn:
Wenn man es sich nicht schön macht, hat man es nicht schön
Und dieser Satz enthält eine grundlegende Wahrheit. Auf dem Foto oben sieht man meinen Blick vom Bett auf die Fensterbank, da stehen meine Pflanzen und mein Radio und alles passt schön zusammen. Was etwas stört: meine “Kleiderleiter”.
Der Punkt ist der: MICH stört das nicht und das ist der einzige Maßstab. Mir ist es völlig egal, was andere Menschen von meinem Schlafzimmer halten, ob sie meine Glückskatze mögen oder die Kleider, die dort hängen. Es muss nur mir gefallen.
Und in zunehmenden Maß halte ich es so mit meinem ganzen Leben: warum sollte ich die Maßstäbe anderer Menschen zu meinen eigenen machen? Ich lebe doch mein Leben und nicht das von anderen. Natürlich kann man sich Impulse und Anregungen holen, aber letztlich gibt es genau eine Instanz: mich.
Der in meinen Augen schwierigste Punkt: das Vergleichen mit anderen. Ich könnte den ganzen Tag jammern: vielleicht sind die Kindern von anderen talentierter oder sonst irgendwas, der Mann perfekter, die Wohnung schöner, der Balkon größer, andere haben mit meinen Fähigkeiten mehr Karriere gemacht und verdienen mehr Geld, andere Blogs sind erfolgreicher, es gibt Leute mit riesigem Freundeskreis, es gibt viele Menschen, die deutlich besser tanzen können als ich, dünner sind oder beweglicher.
Und so weiter und so weiter.
Ja, wenn ich mich richtig schlecht fühlen will, vergleiche ich mich mit anderen.
Großer Fehler.
Denn: das ist doch alles nicht mein Leben und das sind auch nicht meine Maßstäbe und Ziele. Ich muss mich doch auf mein Sofa setzen und mich wohl fühlen. Wenn dem nicht so ist, überlegen, woran es liegt und was einem selbst wichtig ist. Und sich nicht daran orientieren “was MAN so macht” oder was andere für wichtig halten.
Das ist ein schwieriger Prozess, der bei mir durch meine Trennung / Scheidung angestoßen wurde. Nun gut, ich war schon immer ein eher unkonventioneller Freigeist – und das kommt mit zunehmenden Alter immer mehr zum Vorschein. Und natürlich tanze ich manchmal und denke, Mist, das muss doch schneller, besser, schöner gehen. Bis ich dann denke: ich gebe mein Bestes und das wird auch noch schneller, besser, schöner. Und bis dahin ist es doch schon gut und ich habe eine Menge gelernt.
Wo vergleicht ihr euch und stellt dann irgendwann fest, dass eine Unzufriedenheit überhaupt nichts mit euch selbst zu tun hat??
20 Kommentare
Das ist genau die richtige Einstellung und ich sehe es wie du, Irit.
Ich lebe auch so und pfeife auf die Meinung anderer. Es gibt nur ganz wenige Menschen, deren Meinung mir wichtig ist.
Mit dieser Einstellung lebt es sich ganz wunderbar und ich bin im Reinen mit mir.
Jedoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich dadurch auf andere egoistisch wirke. Da pfeife ich auch drauf, aber man muss damit umgehen bzw. es aushalten können, was die meisten nicht können.
Stimmt, Isabelle, Selbstliebe wird sehr häufig mit Egoismus verwechselt. Das liegt daran, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, was Selbstliebe ist und wie man sich denn eigentlich selbst lieben soll. Üblicherweise funktioniert die Bedürfniserfüllung so, dass man sich quasi unausgesprochen gegenseitig dazu verpflichtet zu geben, was man braucht. Das kann zu komplizierten Schieflagen führen… 😉
Ab und zu bin ich auf Partnersuche-Portalen unterwegs. Und dann sage ich, dass ich niemanden brauche, der mich glücklich macht, und diese Verantwortung auch für niemanden übernehmen will. “Was willst du dann hier?!” Ist die Reaktion. Immer.
Eine Welt, in der alle (Erwachsenen) lernen, sich liebevoll und konsequent um sich selbst zu kümmern und einander schenken, was sie gern geben (und das ist aus einem Zustand des eigenen emotionalen Versorgtseins heraus wahrscheinlich erstaunlich viel) — ist meine Vision. :-))
Egoismus ist immer so ein Totschlagargument, wenn man nicht macht, was andere wollen. Jedenfalls oft. Und insbesondere als Frau – schließlich soll man es ja anderen Menschen (Müttern bzw. Eltern, Ehemännern etc) recht machen. Da muss man genau hinschauen und hinterfragen.
Ich vergleiche mich gar nicht, ich wüsste nicht mal warum.
Jeder hat doch andere Anlagen, finanzielle Möglichkeiten und Interessen sowie Zwänge in unterschiedlichen Lebenszeiten bei einigen Themen.
Als ich anfing zu lesen, fragte ich mich sofort, warum du überhaupt daran denkst, ob es anderen gefällt?
Ich mache mir eher Gedanken darüber, ob es gut funktioniert, ob es für mich besser geht und dass es sowohl mir als auch meinem Mann gefällt. Allein wäre das etwas einfacher, aber da würde mir was fehlen, was mir mehr wert ist. Groß ist die Anpassung eh nicht, im Verhältnis zu meiner ersten Ehe.
Klar lass ich mich sehr gern inspirieren und entweder mache ich was oder es ist mir egal. Aber es ist eigentlich nie so, dass ich denke: die hat das und ich nicht. Vergleichen muss ja nicht zwangsläufig ein schlechtes Gefühl für mich auslösen, selbst wenn jemand anderes gerade meine Anerkennung hat. Ich kann mich gerade nicht erinnern, dass es das jemals hatte.
Da das, was du schreibst, eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte (oder für andere kein Resonanzthema), frage ich mich: was ist der Unterschied in unserer Sicht und wo wurde er begründet? Warum vergleichst du dich überhaupt? Bild der Eltern? (Was sollen die Nachbarn sagen?)
Vielleicht kann man Unzufriedenheit auch auflösen, wenn man sich klar macht, dass das deine bis hierhin getroffene Wahl tatsächlich aktiv war. Ist dir ja nicht passiert und auch nichts, was so bleiben muss, aber falls, ist es ebenfalls aktive Wahl. Dieses diffuse Unwohlfühlen hat man dann nur noch in der Überlegungsphase und da gehört sie auch dazu. Wenn das immer wieder kommt, würde ich das als Zeichen sehen, doch mal was zu verändern, weil ich in Wahrheit unzufriedener damit bin, als ich denke.
Liebe Irit,
manchmal erschrecke ich mich darüber, wie reich ich bin:
Ich esse jeden Tag, was mir schmeckt, trinke nur Lieblingstees. Zuhause fällt mein Blick in jeder Richtung auf etwas Schönes. Ich schlafe abends ein in Sicherheit. Habe direkt nebenan einen Nachbarn, der sehr leise ist und mir immer hilft, wenn ich was allein nicht schaffe. Und so weiter und so ellenlang fort. Ich habe solches Glück.
Den Vergleich — wähle ich nicht bewusst. Er geschieht beinahe automatisch. Immer dann, wenn jemand an einer Stelle reich ist, wo mein Reichtum eine Lücke hat. (Du erinnerst Dich: der immertolle Mann, die immertollen Töchter, die fantastischen Urlaube…? ;-))
Mein Glück empfinde ich aber auch nur so intensiv, weil ich weiß, dass Millionen andere es n i c h t haben. Also ein Vergleich in die andere Richtung.
Ich glaube, wir müssen uns vergleichen, um einzuordnen, wo wir stehen. Wir sind relative Wesen — immer in Beziehung zu etwas. Problematisch wird das in meinen Augen nur, wenn wir unseren eigenen Wert darüber definieren. Und da sind wir wieder bei der Selbstliebe…
Gegen Vergleiche ist nichts einzuwenden, ich schaue mir auch an, wie andere tanzen.
Die Frage ist halt: was macht man daraus. Und ich finde, du schreibst es ganz wunderbar: “Problematisch wird das in meinen Augen nur, wenn wir unseren eigenen Wert darüber definieren.” Genau das ist es
Ich war in den letzten Jahren zunehmend unzufriedener, im letzten Sommer schlug die Unzufriedenheit dann endlich durch eine Begegnung in Motivation zur Veränderung um. Seitdem habe ich abgenommen, gehe wieder laufen, tanzen und auf Konzerte, unternehme überhaupt viel und habe mein letztjähriges Weihnachtsgeld gerade in eine Oberlidstraffung angelegt 😉
Mir geht es jetzt rundum gut und das Schöne ist: Ich werde in allem immer besser, das Lauftraining bringt enorme Fortschritte und Männer flirten wieder mit mir :))
Nur mein eigener Mann steht etwas verwundert daneben und versteht die Welt nicht mehr…
LG rosalili
nun ja, wenn sich nach langen Jahren in einer Beziehung ein Partner ändert – muss man das zusammen wieder neu austarieren. Ich wünsche dir, dass das gut gelingt!
Danke, das hoffe ich auch. Mal sehen, was die Zeit bringt.
Vielleicht als Idee. Ich habe seit kurzem einen 50cm breiten Schrank, mit Kleiderstange und Einlegeboden sowie Ausziehkörben, (alles IKEA) ohne Tür, darin verstaue ich die getragene Kleidung für den nächsten Tag. Der Schrank steht so, dass er nicht direkt einsehbar ist, sieht aber sowieso ordentlich aus darin
ich habe mich da etwas missverständlich ausgedrückt – ich mag meine Kleiderleiter und suche auch keinen Ersatz dafür. Die bleibt definitiv!
Ich mag die Kleiderleiter auch und ehrlich gesagt dachte ich beim Blick auf das Foto: Wow, toll… nach so einer muss ich auch mal schauen. 😉 Möchte den Post aber selbstverständlich nicht auf die tolle Kleiderleiter reduzieren.^^
Was Vergleiche angeht: Ja, ich vergleiche mich hin und wieder, aber ich esse auch Chips und trinke mal ein Glas Wein, obwohl ich weiß, dass das nicht optimal für mich ist (dicker Schädel, Wassereinlagerungen). Bin ich “außer Balance”, haben diese Vergleiche lediglich das Ziel, mir zu zeigen, was ich alles nicht geschafft habe oder was ich alles (noch) nicht bin. Dann brauche ich auch Wein u. Chips. Idealerweise laufen Vergleich aber so ab, dass ich eine Frau sehr interessant finde und mich frage: woran liegt das? Was hat sie, was mir auch gut zu Gesicht stünde/mein Leben bereichern würde. Und das kann sehr erhellend sein und ist ein Antrieb, den ich nicht missen möchte. 🙂
naja, das sind ja eher Anregungen und keine Vergleiche – das wäre ja: wieso bin ich nicht so interessant?
Stimmt auch wieder. Okay, dann vergleiche ich mich, schaue aber, dass aus dem Vergleich anstelle des Mimimis eine Anregung wird. 😉
Hmmmm Vergleiche und Unzufriedenheit müssen nicht immer etwas schlechtes sein. Die Welt ist nun mal ungerecht und von den Benachteiligten kann ich nicht auch noch verlangen das hinzunehmen oder geil zu finden. Beispiel: es gibt ja immer das Klischee des armen Studenten, ich hab mich zu meiner Zeit gefragt wo das eigentlich herkam. Um mich herum hatten fast alle mehr Geld als ich, konnten im Sommer zB tolle Praktika im Ausland machen während ich im Einzelhandel meine Miete finanzierte und mein Studium fast 3 Semester länger dauerte weil wer arbeitet kann in der Zeit keine Seminare besuchen.
Ich find das ja ganz toll das hier alle so super zufrieden sind und schon immer waren, aber das liest sich für mich sehr von oben herab gesprochen . Es kann mir keiner erzählen, das man nicht mal neidisch war weil man sich für eine Sache abrackert, die anderen zufällt oder schon immer zugeteilt war. Optimal ist es wenn man diese Unzufriedenheit nutzen kann um sich oder die Welt zum besseren zu verändern, aber das ist nun einmal nicht jedem immer möglich.
also ich war nicht immer super zufrieden. Ich habe beruflich sehr lange damit gehadert, dass ich als Frau in einer Männerbranche benachteiligt wurde und als teilzeitarbeitende (80%!) Mutter dann erst recht. Ich habe mich abgerackert und leitend sind immer die anderen Männer geworden. Ich war einfach zehn Jahre zu früh dran, heute wäre das anders.
Nun ja, und meine Scheidung etc ist ja auch bekannt – das war ja nicht, weil alles toll war.
Aber: ich habe meinen Frieden damit gemacht. Sonst nagt und nagt und nagt es und dann ist sie da: die Unzufriedenheit, die mir täglich das Leben vergällt.
Ich hab jetzt mal den Tag darüber nachgedacht, was mich selber unzufrieden macht, mal jenseits der Vergleiche.
Bei mir: Untätigkeit und Aufschieben.
Dauert das zu lange, werde ich immer gereizter im Wechsel mit Lethargie, fast depressiv. Es ist wie Schwimmen in der Gegenstromanlage, wenn man nicht vorwärts kommt und zurück treibt.
Bei einigen Sachen ist es ja klug, Ausgaben z.B. aber auch da kann es passieren, dass ich zu lange warte und sinnlos Energie in lange Vorhaben binde, statt es zu machen. Vielleicht geht es einigen so, die Ausmisten auch so befriedigend finden (falls es nötig ist) weil man handelt, während man immer wusste, dass man den fast kompletten Inhalt einer Schublade nie wieder braucht, oder Wände streichen, oder jemanden endlich besuchen oder eine Mappe anlegt, falls einem was passiert oder, oder…
Ich hab jetzt z.B. nach jahrelanger Suche jetzt endlich eine Sitzgarnitur gekauft, die ich wirklich ewig gesucht habe. (Zum Ausziehen, bequemes Sitzen, kleine Wohnung, viele Plätze. 😃) Ich ärgere mich eher, so lange gewartet zu haben mit der intensiven Suche. Das hätte ich schon ewig haben können. Für mich ist immer erstaunlich, wieviel Kraft in solchen aufgeschobenen Vorhaben gebunden und verbraucht wird. Ich hab sofort gemerkt, mehr Energie zu haben, wie seit Jahren nicht mehr. Das war mir wichtig und ich sah vorher keine Möglichkeit, aber jetzt ist etwas erledigt, was mir auf dem Herzen wie eine Last lag und ich offenbar völlig unterschätzt habe. Alle unterschwellige Unzufriedenheit ist wie weg geblasen.
Aber das nächste Vorhaben ist nie weit. 😉
ja, aufschieben mag ich auch nicht, das rumort dann in meinem Hinterkopf und nimmt Zeit und Energie. Wenn ich etwas nicht zeitnah erledigen kann, dann schaue ich in meinen Kalender und überlege mir, wann ich es machen könnte. Das ist bei mir immer ein Zeitproblem. Dann habe ich es eingeplant und bei rumort dann nichts mehr.
Liebe Irit,
dabei fällt mir auf, dass in den meisten der aufgeschobenen Fälle gar nicht um das reine Abarbeiten geht, sondern das eine psychologische Ebene hat, mit der ich hadere und die ich lange aufschiebe.
Beispiel Couchecke: es war auch der Abschied von einem eher jugendlichem stylischen Wohnkonzept , in dem unsere Gäste und auch zunehmend wir einfach nicht mehr so gut sitzen konnten wie früher. Wir haben dafür aus Platzgründen den riesigen Esstisch entsorgt und machen uns Gedanken über die Folgen. Rein optisch gefiel es mir früher besser und damit tue ich mich schwer und das wusste ich vorher. Andererseits war dieser Schritt schon lange wichtig, Besuch wird immer zahlreicher und ich sehe, dass da recht oft die Sitzposition korrigiert wird. Bei mir gehört jetzt zum Älterwerden auch dazu, den eigentlichen Sinn im Auge zu behalten oder wieder herzustellen. Das erfordert Kompromisse, die ich mit mir ausmachen muss und meinem Mann geht es auch so. Ich bin jetzt wirklich froh, aber ich sehe auch einen Abschnitt zu Ende gehen, der in meinem Leben andere Schwerpunkte setzte. Ich träume gerade viel vom Sterben und merke, dass etwas zu Ende geht, das früher für meine Identität wichtig war und mir noch fehlt, während etwas Neues kommt.
Absolute Buchempfehlung dazu: the unexpected joy of the ordinary. Sich an dem zu erfreuen, was man hat, und kein ewiges keeping up with the joneses. Leider bisher nur auf englisch, aber wen das nicht stört: das Buch hilft bei vergleichen etc ungemein. Und ist nett zu lesen