Das Leben mit Mitte 50. Als Frau natürlich.

Ich schließe aus den Kommentaren, dass hier viele Frauen ungefähr in meinem Alter (also Mitte 50) lesen. Und ich vermute, dass sich noch so einige an die “guten, alten Zeiten” erinnern können. Es gab eine wirklich haarsträubende Gesetzgebung und Frauen waren gefühlt so etwas wie ein besseres Haustier. Das hat sich heute in vielen Bereichen geändert – und hier in Deutschland können wir uns dafür bei Elisabeth Selbert bedanken. Sie war eine von vier Frauen in einem Gremium mit 65 Mitgliedern, welches das Grundgesetz geschrieben hat. Ihr ist es zu verdanken, dass in Artikel 3 der schöne Satz steht:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 

Was leider nicht bedeutet hat, dass das komplette BGB mit seinen patriarchalen und chauvinistischen Vorstellungen ausgehebelt wurde. Aber es war die Basis dafür, Stück für Stück frauenfeindliche Gesetze zu streichen oder zu ändern.

Hier reden wir nicht von Dingen wie §218 – ich persönlich bin ein Fan der Fristenlösung und fand dieses Werbeverbot abstrus, letzteres ist ja nun dank Kristina Hänel abgeschafft. Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich in der 8. Klasse eine Argumentation pro Frauen bei der Bundeswehr geschrieben habe – zum Amüsement meiner zu 90% männlichen Klassenkameraden. Allerdings hatte ich wenig Durchsetzungsprobleme, dank Schwimmtraining habe ich damals fast alle im Armdrücken geschlagen 😉

Mir geht es darum, was sich im Laufe meines Lebens dank streitbarer und mutiger Frauen geändert hat. Davon profitiere ich, aber noch viel mehr meine Töchter. Deren Generation schafft es dann hoffentlich auch, den Gender Pay Gap zu schließen.

Ein kleiner Blick zurück:

Bis 1975 musste man den Namen seines potentiellen Ehemanns annehmen und erst am 1.4.1994 trat das neue Familiennamensrechtgesetz in Kraft, seitdem kann einfach jeder seinen Namen behalten. Fun Fact: ich habe am 13.5.1994 geheiratet, ich wäre eher ledig geblieben als meinen Namen aufzugeben.

Bis 1977 war die Ehefrau zur Führung des Haushalts verpflichtet – ohne Worte.

Bis zur Reform des Scheidungsrecht 1977 hatte man als Frau schuld, wenn man einen gewalttätigen Mann verließ.

Frauen durften früher weder Polizistinnen werden (bis 1979) noch zum militärischen Dienst der Bundeswehr. Letzteres wurde erst aufgrund EU-Recht im Jahr 2001 geändert.

Frauen durften gesetzlich schlechter bezahlt werden, von Stellen ausgeschlossen werden und so weiter – da frage ich mich allerdings, inwieweit sich der Zustand nun tatsächlich geändert hat.

Bis 1997 war Vergewaltigung in der Ehe legitim. Dazu erklärte der CDU-Abgeordnete von Stetten: „Die Ehe ist eine Geschlechtsgemeinschaft und verpflichtet grundsätzlich zum ehelichen Verkehr. Die Verweigerung von Anfang an ist unter Umständen Aufhebungsgrund, die spätere Verweigerung Scheidungsgrund. Zum ehelichen Leben gehört auch, die Unlust des Partners zu überwinden. Der Ehemann ist nicht darauf aus, ein Verbrechen zu begehen – manche Männer sind einfach rabiater.” Ich weise auf immer wieder gerne darauf hin, dass der aktuelle CDU-Vorsitzende Merz gegen das Gesetz gestimmt hat, dass Vergewaltigung in der Ehe zum Straftatsbestand gemacht hat. Weswegen ich grundsätzlich NIEMALS CDU wählen würde. Die Geisteshaltung sagt in meinen Augen alles.

Diese Liste kann man ziemlich lang fortsetzen. Sei es Erziehungszeit (also ich habe keinen Cent Elterngeld bekommen und für meinen damaligen Mann war es unmöglich, ein paar Wochen Elternzeit zu nehmen), Recht auf Teilzeit, die Gleichberechtigung von unehelichen Kindern, das Recht in der Nachtschicht zu arbeiten und so weiter und so weiter.

So insgesamt: hat sich viel getan in den letzten 40 Jahren. Da geht aber noch was.

PS: als ich dem tollen Mann von dem Post erzählte, musste er lachen und meinte, das könne er noch toppen. Hier ein Link zu der Geschichte. Übrigens ist der Kirchenvorstand mittlerweile zurückgetreten (Link). Da mussten die vermutlich älteren Damen und Herren wohl feststellen, dass sich die Welt geändert hat. Zum einen können sie sich nicht mehr wie patriarchale Idioten (was ist eigentlich die weibliche Form davon? Frauen, die andere Frauen ausbremsen?) aufführen, haben die Macht des Internets kennen gelernt und haben wohl auch gelernt, dass Frauen Spülmaschinen füllen können. Sogar gespendete, die zurückgeschickt werden müssen, weil die Kommunikation gefährdet ist. Ich habe überlegt, ob man die Aufgabe nicht einfach dem Kirchenvorstand mit kompetenten Männern übertragen könnte? Noch ein Flachwitz: war in Ostfriesland.

37 Kommentare

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Guten Morgen, ich dachte mir damals, wir sind auf einem ganz guten Weg, aber gefühlt hat sich in den letzten 30 Jahren viel zu wenig , viel zu langsam geändert. Und erstaunlicherweise sind viele Mädchen und junge Frauen noch immer oder wieder? Auf dem Trip ‘ Mann finden, Kinder bekommen und zuhause bleiben ‘. Das finde ich besonders verstörend.
P.S. Meinen Namen habe ich auch behalten

Diese Feststellung habe ich auch schon gemacht und kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Frauen freiwillig Zuhause bleiben bzw. auf einen Beruf und eigenes Einkommen verzichten.
Spätestens wenn sie von ihrem Partner/Ehemann verlassen werden sollten, werden sie es bitter bereuen, doch dann ist es zu spät.
Meine Oma und meine Mutter haben mir glücklicherweise immer vorgelebt und eingetrichtert wie wichtig und wertvoll es ist (finanziell) unabhängig zu sein.

Ich komme aus der DDR, wo es das meiste dieser Sachen nicht mehr gab zu der Zeit, als ich aufgewachsen bin. Ich war allerdings froh, einen anderen Namen annehmen zu können, für mich war das ein Upgrade der Wortschönheit. Hab mich jetzt allerdings auch nie mit dem Namen identifiziert, Geburtsnamen sind ja nicht selbst gewählt. Mich störte immer der nicht frei wählbare Vornamen, das hat hat sich ja zumindest soweit geändert, dass es keine Rufnamenfestlegung mehr gibt.

In meiner Zeit konnte man ein Jahr voll bezahlt zu Hause bleiben mit dem Baby (Babyjahr ab 01.05.1977) und es gab auch paar Tausend DDR-Mark Begrüßungsgeld (ich bin allerdings nicht sicher, ob das nur Verheiratete betraf.) Ledige Mütter hatten bei Kind krank unbegrenzten Lohnausgleich, Verheiratete 6 Wochen.

Schuldige Ehescheidung und Zwang zu Haushalt und Sex gab es auch nicht. Scheidungen waren preiswert und relativ formlos.

Das bedeutet nicht, dass es mit der Gleichberechtigung im Haushalt weit her war. Da Frauen aber alle gearbeitet haben (auch mit dem Lohngefälle frauentypischer Berufe) und die Kinder über den ganzen Tag in Kinderkrippe und Kindergarten waren, in der Schule dann meist im Hort, in den Ferien (die die Urlaubszeiten überstiegen) Ferienspiele, ging die Vollbeschäftigung, aber auch danach noch viel Haushalt.

Man darf hier nicht vergessen, dass es in der DDR zwar ein Recht, aber auch eine Pflicht zur Arbeit gab. „Hausfrauen“ gab es praktisch nicht. Halbtagstätigkeit war nicht erwünscht, wurde aber viel genutzt, wenn es denn überhaupt möglich war, wegen der Kinder, aber auch im Alter. Man ging als Frau mit 60 in Rente (Männer 65) und davor haben die meisten nur noch halbtags gearbeitet, hier war auch viel Kinderbetreuung der Enkel möglich oder Pflege der Eltern, die damit möglich wurde.

Na klar war das vor allem deswegen, um die Arbeitskraft der Frauen zu sichern, aber ich finde unfassbar, dass heute der Druck fast nur auf den Müttern liegt, natürlich ebenfalls bedingt durch die Pay Gap vor allem frauentypischer und Sozialberufe. Wer weniger verdient, bleibt meist zu Hause und das sind in der Regel die Frauen. Corona hat gezeigt, wo man da wirklich steht, wenn man vorher wie ich Illusionen hatte und dass es nicht nur an der Pay Gap, sondern auch an der Erwartung der Gesellschaft an die Mütter zu tun hat.

Danke für deine Ausführungen. Es ist schon sehr interessant, wie anders es in der DDR war. Und auch nicht alles schlecht. Auch wenn das Ziel natürlich trotzdem nicht erstrebenswert war und nichts mit freiheitlichen und selbstständig denkenden Menschen zu tun hatte.

Und ja, das sehe ich ganz genauso! Der Druck liegt auch heute noch so sehr bei den Müttern, weil diese häufig “schlechtere” Jobs (ich finde soziale Jobs ja alles andere als schlecht! Schade, dass man sich heute auch schon fast dafür verteidigen muss, etwas soziales zu machen. Im Internet gilt das häufig als billig und dumm, ich teile diese Stimmung nicht!) haben und dann meistens auch noch jünger sind.
Ich hatte davon mal ein regelrechtes Trauma. Aus Angst davor unter Druck gesetzt zu werden, beruflich stark zurückzutreten, war einige Zeit quasi der Beruf des Mannes eines meiner Hauptkriterien bei der Partnerwahl. Und zwar genau gegenteilig wie das was man Frauen gemeinhin unterstellt (“Frauen stehen nur auf gut verdienende Männer mit Status, blabla”) wollte ich gezielt nur “downdaten”, um diesen Druck weniger zu haben. Schon ziemlich bescheuerte Herangehensweise von mir. Aber dieser ständige Vorwurf, die “bösen” Frauen würden immer nur “updaten” und hinter dem Chefarzt würden alle Frauen Schlange stehen, während ein Krankenpfleger nicht mal angeguckt werden würde, hat mich schon immer aufgeregt. Auf mich jedenfalls trifft dieser Vorwurf sicher nicht zu. Aber ja, bevor ich es vergesse, ich weiß natürlich, dass Frauen im dating ja doch keine eigenen Entscheidungen treffen können, sondern unterbewusst alle Frauen dann doch immer nur auf den reichen Macho stehen. Der nächste Vorwurf über den ich mich ständig aufregen könnte.

Liebe Lia,
freiheitlich und selbstständig GEDACHT haben die Menschen in der DDR, auch wenn sie nicht frei reisen konnten. Die Gedanken sind frei.
Viele Grüße!

Wenn man dieses Sozialsystem kannte, kommt einem alles jetzt wie Mittelalter vor. Ich erinnere mich noch, dass mein erster Eindruck im Westen war: bunte Autos und überall halbnackte Frauen – Verfügungsmasse für Werbung.
Ich verstehe heute noch nicht die massenhaften Halbtagskitas. Wie soll eine Mutter da eigenständig für sich sorgen können? Ist das nicht die erste Voraussetzung für Gleichberechtigung? Das ist doch keine eigene Wahl, sondern friss oder stirb. Zudem: was in den Kitas geboten wird, ist oft unterirdisch und ich verstehe Mütter, die das nicht für ihre Kinder wollen.

Guten Morgen,
ich habe in meiner Arbeit auch viel mit jungen Erwachsenen zu tun und treffe oft sehr engagierte, politische junge Frauen und auch Männer. Das macht mir wirklich Mut. Da kommt eine Generation, die Väterzeit will und gleiches Gehalt fordert, Wertschätzung für Care-Arbeit und überhaupt Feminismus. Einige sind dabei fast radikal, wo ich dann auch manchmal denke, mir persönlich ist das zuviel (z.B. die Kritik an Tim Hunt damals) Aber ich befürchte, ohne extreme Forderungen kommen wir viellt auch nicht weiter.

PS: Irit, hast du viellt den Link verwechselt? Du hast einen zum NDR eingestellt, aber die Geschichte mit der Spülmaschine steht in einem Taz-Artikel.

Guten Morgen,
eine schöne Zusammenstellung. Ja, wir haben kämpferischen Frauen auch schon aus dem frühen 19.Jhd. viel zu verdanken.
Und hier muss ich leider Edith zustimmen, ich sehe auch einen erschreckenden “Rückwärtstrend”. Eine Generation Mädels (ich habe nur Söhne, keine Töchter, Erfahrungsschatz vor allem aus dem Arbeitsumfeld, Töchter von Freundinnen…) nehmen vieles für selbstverständlich, machen sich über unsere “kämpferische” Generation lustig, Aussehen wird extrem überbewertet. Da nutzt auch gendern nichts mehr. Das betrifft so die derzeit Mitte 20 – 30 jährigen. Stelle jedoch Tendenz fest, dass es wieder besser wird, die derzeit 17-20 jährigen, die ich kenne, da sind schon wieder eine Generation selbstbewusster Frauen im Anmarsch. Tatsächlich nehmen die sehr viel Anteil an den Vorgängen im Iran oder Afghanistan und sehen, dass nichts selbstverständlich ist.
Liebe Irit, ein ganz tolles Thema hast du heute und super aufbereitet.
Einen schönen Tag, hier wechseln gerade Sonne mit Wolkenbrüchen ab, geht mir unglaublich auf den Kreislauf – auch erst ein Problem mit Mitte 50.
Liebe Grüße
Daniela

Danke für den Post, Irit! Ich bin hier wahrscheinlich etwas jünger als der Durchschnitt und kenne die “guten alten Zeiten” zum Glück nur aus Geschichten. Aber ich interessiere mich sehr für das Thema und finde es jedes Mal erschreckend, wie kurz das ganze erst her ist! Für mich ist das unvorstellbar und deswegen finde ich es so wichtig, darüber zu reden! So ähnlich wie es auch wichtig ist, immer wieder über die Gräultaten des 3. Reichs zu reden, muss auch hierüber geredet werden! Es ist so krass, wie viel in der kurzen Zeit erreicht wurde und wie viel für Frauen und Männer in meinem Alter inzwischen selbstverständlich ist. Und das muss so bleiben!
Leider habe auch ich das Gefühl, dass es nicht so viele Menschen, weder in meinem Alter, noch älter, interessiert. meine Mutter interessiert sich gar nicht dafür. Bei einem Teil der Sachen sagt sie, war sie ja ohnehin zu jung um das alles zu kapieren und dass Frauen bei der Heirat den Namen des Mannes annehmen mussten (krass, dass das erst 94 war!! Da waren meine Eltern ja schon lange verheiratet!) findet sie eher einen hübschen Brauch und nicht schlimm. Vielleicht ist es wirklich eine Generationenfrage. Vielleicht ist meine Mutter schon zu alt und meine Generation wieder zu jung. Vielleicht ist die Generation dazwischen, also die Frauen um die 50, von denen ich leider nicht viele kenne, interessierter daran, sich mit mir über dieses Thema zu unterhalten.
Um so mehr freue ich mich über deinen Post und über alle Menschen, die es interessiert. Ich bin so dankbar, für die Menschen, die sich dafür eingesetzt haben und dank derer ich so aufwachsen durfte, wie ich aufgewachsen bin.
Um so trauriger ist es, dass Feminismus heute oft als etwas schlechtes gesehen wird. Ich kenne einige Frauen in meinem Alter, die sich nicht als Feministinnen bezeichnen wollen. Für mich ist das in etwa so unverständlich, wie die Aussage, man sei gegen das Frauenwahlrecht. Aber viele denken beim Thema Feminismus nur noch an Genderideologien oder sowas. Sehr schwierig. Gendern scheint mir bei meinen Altersgenossen jedenfalls extrem verpönt. Bei denen ungefähr 5-15 Jahre jünger als ich geht es dann wieder. Ich weiß selbst auch nicht, was ich von übermäßigen Gendern halten soll.
Dass mit Friedrich Merz wusste ich auch noch nicht. Echt hart! Für mich zwar kein Grund, nie CDU zu wählen (wobei ich das eh noch nie getan habe), aber definitiv ein Grund, nie die CDU zu wählen, solange Merz dort mitmischt.

In der letzten Woche lief auf 3sat der sehr unterhaltsame und aufschlussreiche Film “Die Unbeugsamen” über den Weg von Frauen in der alten Bundesrepublik in der Politik. Es kommen viele Frauen zu Wort, die damals politisch aktiv waren. Für mich (geboren 1967, aufgewachsen in der DDR) unglaublich interessant, aber sicher für viele andere hier auch. Er ist noch bis zum 07.05.2023 in der Mediathek verfügbar.

Bis 1977 durfte die Frau nicht ohne Erlaubnis Ihres Ehemannes eine Arbeit annehmen…..meine Mutter war damals betroffen und hat monatelang mit meinem Vater darüber streiten müssen weil sie gerne eigenes Geld verdient hätte 🙁
Gottseidank hat sie gewonnen und mich dementsprechend erzogen, was in meiner Generation (BJ 61) nicht unbedingt üblich war, die meisten Mütter meiner Freundinnen durften nicht arbeiten gehen und fanden das ganz normal. Gendern ist, meiner Meinung nach, keine Hilfe, das nervt viele einfach nur und führt auch zu Wortverunstaltungen die oft nicht mehr schön sind.
Ich sehe nach wie vor täglich das Frauen bei gleicher Tätigkeit weniger verdienen, da hilft kein *innen hinter der Jobbezeichnung.

ich erinnere mich, dass meine Schwiegermutter keinen Führerschein machen durfte und ein Haushaltsbuch führen musste. Meine Meinung: dann lieber Single 😉

Hallo, ich habe hier bisher immer mitgelesen, aber jetzt trau ich mich auch mal zu schreiben. Beim Lesen der verlinkten Beiträge über den Kirchenvorstand ist mein Blutdruck rasant gestiegen.
Unsere Frauenrechte haben wir den kämpferischen Frauen bis zu den 1970er Jahren zu verdanken. Danach war die Sache irgendwie abgehakt, die Männer haben sich wieder beruhigt, ihre abwertenden Bemerkungen über das Aussehen von Frau Schwarzer verschwanden in der Versenkung. Ich empfinde derzeit auch einen Rückwärtstrend, Frauen reduzieren sich selbst auf Äußerlichkeiten und werden dafür beklatscht.
Ich habe meine Rechte immer wahrgenommen und werde nie vergessen, wie empört ich war, als ein Vorgesetzter mich zum Kaffee kochen einteilen wollte. Ich habe das nicht gemacht und auch klar geäußert. Natürlich kommt so etwas nicht gut an und es wurde dann versucht, mir zu schaden, was aber nicht gelungen ist. Empört war ich damals auch, weil andere meinten, ich solle mich nicht so anstellen. Bei einer beruflichen Maßnahme, die ich wahrnehmen konnte, wurde ich als Alibi-Frau oder Quoten-Frau bezeichnet, von Männern die mir beruflich das Wasser bei Weitem nicht reichen konnte. Ich habe damals immer eine ungeheure Wut empfunden. Ich fürchte, so etwas findet heute immer noch statt. Das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz habe ich auch erleben “dürfen”, das hat sich erst gebessert, als es strafbar wurde. Vorher war es extrem, ganz besonders schlimm waren die ältesten Kollegen, widerlich. Ich hoffe, hier konnte durch den Straftatbestand doch eine große Hemmschwelle erzeugt werden und die Frauen müssen das jetzt nicht mehr ohne Konsequenzen für die Männer ertragen.
Meine Mutter ist irgendwann in den 1970er Jahren ohne Erlaubnis des Ehemannes arbeiten gegangen. Der Patriarch der Familie hat wochenlang nicht mit meiner Mutter gesprochen und ist zum Essen zu seinen Eltern gegangen.
Leider gibt es heute immer noch viel zu viele Männer, die selbstbewusste und selbständige Frauen abfällig als Emanzen bezeichnen und gerne auch abfällige Bemerkungen über das Aussehen machen. Ich hoffe, durch die junge Generation gibt es endlich einen Ruck. Solange nicht mal die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Köpfen angekommen ist, sehe ich für das Bemühen um weitere Akzeptanzen und Gendern als Kampf gegen Windmühlen. Interessieren würde mich ja, wie Wählerinnen von F. Merz zu seiner Einstellung stehen.

Ich habe noch etwas vergessen. Ich habe in letzter Zeit oft in diesem Blog gestöbert und so viele interessante Beiträge und Kommentare nachgelesen und mich so richtig wohlgefühlt. Kompliment an die Gastgeberin.

Ach liebe Irit, ganz toller Beitrag, vielen vielen Dank. Ich gehöre hier zu den jüngeren (36) und manches davon wusste ich nicht. Aber hier und da sehe ich solche Einstellungen bei meiner Mutter, was ich erschreckend finde (also, dass es zum Beispiel selbstverständlich die Mutter ist, die zu hause bleibt). Ich finde es auch schwierig, mit ihr darüber zu reden. Geht das sonst noch jemandem so?

Wir sind in einem ähnlichen Alter und ja, das kenne ich auch. Obwohl meine Eltern selbst “vertrauschte Rollen” hatten, was daran lag, dass mein Vater keine richtige Ausbildung und keinen festen Job hatte, meine Mutter dagegen schon, ist meine Mutter auch der Meinung, dass es besser sei, wenn der Mann arbeitet und die Mutter zu Hause bleibt. Meiner Schwester sagt sie bei allen beruflichen Entscheidungen, dass sie berücksichtigen sollte, dass sie ja eventuell bald Kinder kriegt und dann eh aufhören wird zu arbeiten.
Immerhin, mir hat sie da noch nie reingeredet. Ich gelte bei dem Thema wohl schon immer als aufmüpfig und es hat eh keinen Sinn, mir da einen ungefragten Ratschlag zu geben. Aber drüber reden kann ich mit ihr nicht, ich bin ja sowieso nur die eingefleischte Hardcore-Feministin. Als wäre das eine Beleidigung.
Allerdings muss ich mir auch immer in Erinnerung rufen, dass Frauen, die sich von selbst entscheiden, für die Kinder deutlich zurückzutreten, während der Mann weiter Karriere macht, nichts “schlimmes” oder gar antifeminstisches wäre. Ziel des Feminismus war/ist ja nicht, dass Frauen so oder so sein müssen, sondern dass sie eben die Wahl haben. Und wenn ihre Wahl ist, beruflich stark zurückzutreten, ist doch alles super. Alles andere wäre ja absurd. Befürworter von legaler Abtreibung sind ja auch nicht der Meinung, dass man am besten jedes Kind abtreiben sollte, um seine Meinung zu untermauern. Also selbst langersehnte Wunschkinder.
Auch wenn berufliches zurücktreten für mich immer außer Frage stand. Finanzielle Abhängigkeit und nur Erfüllung in der Familie finden, war für mich schon immer etwas, was unbedingt zu vermeiden war. Aber andere Menschen ticken halt anders und das ist ok. Und gegen einen Mann, der gerne nur Teilzeit arbeiten möchte und dafür den Haushalt schmeißen will, hätte ich ja schließlich auch so gar nichts einzuwenden, sondern fände das sogar ausgesprochen sympathisch!

Die Diskussionen hatte ich auch mit meiner Mutter. Sie fand es auch ganz furchtbar, dass ich meinen Namen behalte. Dann war da noch die Sache mit der Hochzeit in weiß, wir sind damals rechtzeitig aus der Kirche ausgetreten, um jedwede Diskussion zu vermeiden. Dass meine Töchter wie ich heißen, war auch nicht recht. Ich habe mich sehr lange Jahre mit meiner Mutter über diese Themen rumgestritten. Und meinen Kram durchgezogen. Da gab es ja noch schlimmere Dinge (meine Mutter war Jg. 37), die ganz klar aus der Nazi-Ideologie stammten, was sie nie realisiert hat. Frau raucht nicht, trinkt nicht, schminkt sich nicht.

Kurz vor ihrem Tod meinte sie noch zu mir, dass es ja schon sehr schön wäre, dass wir alle vier denselben Namen haben. Und dass es sehr schön wäre, dass sie sich keine Sorgen um mich und die Kinder machen muss, weil ich alles (nicht nur finanziell) geregelt habe.

Hehe, Lia, ich bin da ganz Deiner Meinung! Ich muss auch immer wieder aufpassen, nicht gleich zu urteilen, wenn Frauen nicht meinem Weltbild entsprechen (nämlich: bitte eigenes Geld verdienen!). Und ja, man darf auch nicht vergessen, dass es Männern genauso frei gestellt sein sollte, sich gegen eine Karriere zu entscheiden.
Ich finde es aber irgendwie beruhigend, dass es auch andere Frauen in meinem Alter gibt, die es hier schwierig finden, mit der eigenen Mutter zu reden …

Ich habe Sorge, dass Merz doch mal Kanzler werden könnte.
Jedenfalls eine sehr beunruhigende Vorstellung.
Liebe Grüße und Danke für den interessanten Post.
Ine

Auch ich bin Ende Dreißig und kann mich mit dem Abhängigkeitsmodell, das mir meine Eltern, und auch meine Mutter in mittlerweile zweiter Ehe, vorleben/vorgelebt haben, nicht anfreunden. Der Mann war immer im Vollzeitjob, Teilzeit für die Frau recht unattraktiv wegen Ehegattensplitting. Meine Mutter, die Abitur hat, ist ein paar Jahre vor der Rente dann putzen gegangen – teilweise schwarz (weil Abzüge viel zu hoch aufgrund des selbstgewählten Beseteuerungsmodells – ohne Worte …). Sie fand darin Erfüllung und meinte es hält sie körperlich fit.

Ich bin in einer recht ländlichen Gegend aufgewachsen, danach bin ich zum studieren und zum arbeiten nur noch in größere Städte gezogen. Ohne das eine ab- und das andere aufwerten zu wollen: Gleichberechtigungsfragen, Genderthemen und Feminismus sind vorwiegend ein Thema der großstädtischen Mittelschicht. In meinem Heimatort kenne ich keinen Familienvater, der in Teilzeit arbeitet. Im ländlichen Raum gibt es viel mehr Angst vor Veränderung, das lässt sich auch am Wahlverhalten beobachten.

Ein spannendes Thema, es ist toll, dass hier neben den immer auch interessanten Kosmetik Tipps auch solche Aspekte zur Sprache kommen. Ich glaube deshalb bin ich auch so gern hier…
Zur Sache: meine Mutter, Jahrgang 1936, hat mir einerseits immer vorgebetet, dass Heirat und Kinder kriegen der letzte Mist ist ( fühlt sich als Kind natürlich super an, sowas zu hören…), gleichzeitig hat sie ständig versucht mich in die traditionelle Frauenrolle zu drängen. Angefangen mit Hausarbeit, die ich ganz selbstverständlich leisten sollte, während meine Brüder außen vor waren. Ich habe in der Pubertät rebelliert ohne Ende und hatte lange ein sehr gestörtes Verhältnis zu meiner Mutter. Mittlerweile hat sich das etwas entspannt.
Ich erlebe etliche Frauen meines Alters (53), die sich sehr bereitwillig in die Hausfrau und Mutterrolle gefügt haben. Aber auch sehr toughe, eigenständige Frauen.
Bei meinem aktuellen Abiturjahrgang (ich bin Lehrerin) habe ich ein sehr reflektiertes Rollenbild angetroffen. Bin da sehr begeistert! Noch vor Corona habe ich aber das Gegenteil erlebt, wie einige andere hier auch berichtet haben. Da ging es viel nur um Optik, Familiengründung oberstes Ziel usw. Ich glaube aber fest daran, dass sich da gerade ganz viel bewegt!

Das kann ich fast bis ins Detail unterschreiben. Der Unterschied zwischen ländlichem und städtischem Raum ist echt krass. Ich werde definitiv nie, niemals aufs Land ziehen.

Hallo zusammen.
ich bin auch in der DDR aufgewachsen, Jahrgang 1958. Meine Mutter war fast ausschließlich Hausfrau und somit finanziell von meinem Vater wirtschaftlich abhängig. Sie war vor der Ehe Kindergärtnerin. Obwohl die Ehe zerrüttet war, konnte und wollte sich meine Mutter nicht befreien. Als ich erwachsen und finanziell unabhängig war, sagte ich ihr auf den Kopf zu, dass sie dem Elend endlich ein Ende machen soll. Sie konnte es nicht. Dafür war sie bis zu ihrem Tod schwer depressiv.
Das war mir eine Lehre!
Ich habe mich nach nur vier Jahren scheiden lassen. Mein Mann hat getrunken.
Meine Tochter musste nach mehreren Versuchen aus der Krippe genommen werden, da sie ständig krank war.
In der Scheidungsphase hat er mir in einem Brief geschrieben, er hätte mich ein Dreivierteljahr durchfüttern müssen!🤮
Habe den Brief erst gestern gelesen, beim Durchsehen meiner Aktenordner. Das hat er 1990 geschrieben. Hatte ich fast vergessen. Ich habe es nicht eine Sekunde bereut, meine Tochter allein groß zu ziehen.
Das hat mich aber so selbstständig gemacht, dass ich mich nie wieder auf eine lange Beziehung einlassen konnte und wollte. Ich habe alle meine Fehler allein gemacht und sie allein bewältigt.
Die Ehe meiner Eltern vor Augen konnte ich nie vergessen. Das hat mich aber auch dominant werden lassen. Ich bin nur einmal schwach geworden und habe Jahre dafür bezahlt und das auch im wöchentlichen Sinne. Auch das liegt hinter mir.
Jetzt bin ich Rentnerin und muss nicht mehr kämpfen und das genieße ich.

Ganz ehrlich, ich habe es geliebt, bei meinen Kindern zu Hause sein zu dürfen und “nur” zwei Tage pro Woche als Buchhändlerin zu arbeiten. Jetzt sind die Jungs 21 uns 19 und ich werde es so beibehalten. Ich liebe es, mir den Tag selbst einteilen zu können und die Dinge zu erledigen wann ich es will (lesen, lesen, lesen…)Das ist voll mein Ding und es stört mich kein bisschen.
Mein Mann arbeitet gerne und viel, soll er doch. Ich passe also perfekt in das “Frauchen-Schema”.
Finanziell bin ich abgesichert, ich habe geerbt…..Glück gehabt.

aber genau darum geht es doch: die Freiheit zu haben zu machen was man möchte! Du hast ja auch genau darüber nachgedacht und bist abgesichert. Ich würde sagen: alles richtig gemacht 😉

Solange Frauen sich beim Dating covern lassen (müssen), ist die Welt für mich schief. Ich höre den Podcast “Herz & Sack”, in dem zwei Frauen in den Dreißigern anderen Frauen zwischen 17 und 50+ unermüdlich erklären, dass es okay (!) ist, nein zu sagen, für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen und sich selbst wichtig zu nehmen. In j e d e r Folge geht es darum, Übergriffigkeiten wahrzunehmen und auszudrücken. Alle mitten aus dem weiblichen Leben der Gegenwart gegriffen.

Wir haben gerade erst angefangen, unsere Wut überhaupt zu spüren.

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