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Buchclub (3): die Rezensionen zu “Das Beste kommt noch” von Richard Roper

So, das war ja mal eine Megaaktion… zuerst sooo viele Interessenten, dann kam die Grippe dazwischen und dann gab es noch Probleme mit dem Versand (das war wohlgemerkt nicht Rowohlt schuld).

Aber: Ende gut, alles gut.

Ich möchte mich nochmal ausdrücklich bei Rowohlt bedanken – ich hoffe, das wird noch eine lange Zusammenarbeit!

Richard Roper Das Beste kommt noch

Noch eine Anmerkung: ich habe alles so hier aufgelistet wie es mir geschickt wurde. Wie immer werden keine Klarnamen genannt, sondern die “Kommentarnamen”.

Nr. 1: Katrin

„Es ist nie zu spät für einen Neuanfang – und für die große Liebe“ – so liest man auf dem Buchrücken des übrigens wirklich schön gestalteten Buches. Doch dieses eher nach Arztroman anmutende Statement wird dem Buch dann gottlob keinesfalls gerecht.

Andrew, Nachlassverwalter, lernt Peggy kennen, Neu-Nachlassverwalterin, womit der Plot dieses Romans tatsächlich grob schon dargelegt ist. Aber es wäre kein Roman, wenn er nicht doch mehr enthalten würde, als die üblichen Verstrickungen auf dem Weg zur großen Liebe – vor allem, da Andrew neben einer erfundenen Familie eine düstere bzw. traurige Vergangenheit hat, was seinen Weg in Richtung Peggy nicht gerade ebnet.

Und „Das Beste kommt noch“ enthält insofern einen für mich unschätzbaren Zusatz, dass mit der Stadt London ein dritter Protagonist auftaucht. Die Stadt mit ihrer Infrastruktur, mit ihrem Gegensatz zwischen Arm und Reich und zwischen Schein und Sein – was grundsätzlich natürlich auf die Gesellschaft im Allgemeinen zutrifft – und mit ihren Pubs als Ort, in dem man die Probleme der Welt immer ein bisschen lösen kann, spielt eine große Rolle im Hintergrund.

Die Charaktere sind alle detailliert gezeichnet und man verlässt sie zum Ende des Romans wirklich ungern, doch in der Charakterzeichnung und der Verbindung der Charaktere liegt auch die kleine Schwäche des ansonsten sehr gut zu lesenden Romans. Sicherlich können oder müssen Nebenfiguren eher eindimensional sein, doch auch gerade Andrew empfand ich nicht als wirklich runden Charakter. An der Stelle, als eigentlich etwas sehr Dramatisches passiert, das den Wendepunkt des Romans markiert, bleiben der Protagonist und auch die Auflösung dieses Dramas ungewöhnlich blass. Ebenso das Pärchen Keith und Meredith oder sein Schwager Carl, und auch sein Chef bleibt irgendwie etwas unmotiviert – wobei er andererseits so gezeichnet ist, dass man den Bluthochdruck förmlich mitliest, was zu einer der Stärken des Romans führt:

Über weite Teile herausragend ist die bildhafte Sprache, oft sehr trocken und lakonisch und dabei teilweise höchst komisch: „Cameron (der Chef) bemerkte Andrew, und sein Gesicht verzog sich zu einem schmerzhaften Lächeln – es war derselbe Gesichtsausdruck, den ein Baby hat, wenn es gerade seine Windeln füllt“ (Kapitel 24, S. 280).

Insgesamt ein Roman, der mir beim Lesen Freude gebracht hat, da er inhaltlich viel Liebenswertes enthält, das Positive im Leben betont und sprachlich einfach ansprechend ist. Ideal für Sonntagnachmittage (oder die Zeit gerade jetzt, in der man ohnehin nichts unternehmen kann), da er trotz der kleineren Unstimmigkeiten durchweg gute Unterhaltung bietet. Seelenfutter eben.

Nr. 2: Cora

Hauptperson des Romans ist Andrew, aus dessen Sicht der Roman geschrieben ist, und der einen recht skurrilen Beruf ausübt: Er muss in den Wohnung von vereinsamt verstorbenen Menschen nach einem eventuellen Nachlasse sowie nach Hinweisen auf Angehörige und Erben suchen.

Seine Kollegen denken, dass er privat ein gemütliches Heim mit Ehefrau und zwei Kindern genießt, aber dieses Leben gibt es nur in Andrews Phantasie. Durch einen Zufall ist diese Lüge zum Selbstläufer geworden, sodass er aus der Nummer nicht mehr rauskommt. Einziger sozialer Kontakt, den Andrew außerhalb seines Jobs pflegt, sind drei Leute aus einem Forum für Modelleisenbahnfreunde.

Der Einschnitt geschieht, als Andrew eine neue Kollegin bekommt, mit der er nun im Team arbeitet. Es stellt sich heraus, dass Peggy eine wertvolle Gesprächspartnerin für ihn wird, dass die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht, und es kommen Dinge ins Rollen, die Andrews bisher sehr überschaubares Leben verändern – fast schon umkrempeln.

Man erfährt im Laufe des Buches nach und nach die Lebensgeschichte von Andrew, und wie es kam, dass er im Grunde genau so vereinsamt ist, wie die Verstorbenen, deren Wohnungen er durchsucht.

Einen weiteren Raum im Buch nimmt auch das Miteinander mit seinen Kollegen ein – und wenn irgendjemand von sich denkt, er habe fürchterliche Kollegen, wird er beim Lesen herausfinden, dass es für alles eine Steigerung gibt. Wer diese Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr.

Andrews Alltag – vor allem die Welt mit seinen Kollegen – wird in seinem sehr humorigen Stil geschildert, man möchte laut loslachen, doch im nächsten Kapitel kommen einem fast die Tränen, wenn Andrews familiäres Schicksal und die Gründe, wie er zu dem Mann geworden ist, der er ist, erzählt werden.

Ohne etwas vorwegzunehmen, macht Andrew durch die Anwesenheit von Peggy eine Wandlung durch, es kommt einiges in Bewegung, und er stellt sich den eigenen Dämonen.

Je länger man liest, desto mehr versteht man die inneren Konflikte, die Andrew umtreiben, und man muss beim Lesen etwas Geduld haben mit ihm, denn es dauert eine Zeitlang, bis er – unter anderem mit Hilfe von Peggy- sich traut, sein Leben wieder selber in die Hand zu nehmen.

Der Stil des Buches ist sehr flüssig und lebhaft, und viele Situationen sind sehr witzig beschrieben. Dennoch spürt man die Ernsthaftigkeit, mit der der Autor eine ungewöhnliche und traurige Lebensgeschichte, die Entwicklung der Hauptperson und den Ausweg daraus erzählen möchte, und auch die inneren Kämpfe, die der Protagonist erlebt.

Auf jeden Fall würde ich das Buch für unterhaltsame Leseabende empfehlen – insbesondere für Leser, denen schräge Charaktere und Lebensumstände am Herzen liegen.

Nr. 3: Nadiya

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es war wie ein Urlaub. Ich war sofort in der Geschichte drin, als ob ich dabei gewesen wäre oder mir einen Film angeschaut hätte. Die Sprache ist leicht und klar, die Art der Erzählung finde ich sehr ansprechend.

Ich fand auch die Geschichte sehr erfrischend, ich muss gestehen, dass ich zwar ein Happy End erwartet und erhofft habe, aber ich hätte viele Wendungen der Geschichte gar nicht kommen sehen und war jedes Mal überrascht. Ich liebe die Geschichten, die immer wieder in die Vergangenheit gehen und so auch sich in die Gegenwart fortgesetzt werden. So fand ich die Darstellung der Lebensgeschichte von Andrew sehr schlüssig und empathisch und bekam immer mehr Mitgefühl und Verständnis für ihn und sein Verhalten.

Das war eine kurzweilige und schöne Zeit. Und gerade in der aktuellen Situation war ich dankbar eine Geschichte zu lesen, in der zwar immer wieder schwierige Lebenssituationen gezeigt werden, aber auch die Hoffnung nicht verloren geht. Mein romantisches Herz hat sich gefreut.
Ich könnte dieses Buch so beschreiben: Es ist nicht immer einfach, aber Liebe und Freundschaft können Leben retten bzw. das Leben schöner machen.

Ich bin ein Fan und habe tatsächlich schon nach anderen Büchern des Autors gegoogelt. Das ist für mich ein hohes Qualitätsmerkmal.

Nr. 4: cs

Richard Ropers Erstlingswerk ist ein modernes Märchen, dass den Leser gefangen nimmt in dem stetigen Wechsel zwischen Trauer, und (aufkeimendem) Glück, Sehnsucht und Enttäuschung, aber auch Mut und Hoffnung.

Am Ende wird der Leser entlassen mit der Erkenntnis, dass nur die Liebe in seiner vielfältigen Ausgestaltung dem Leben wahren Sinn gibt, und es sich lohnt daran zu glauben und dafür zu kämpfen, denn auch hier gilt oftmals „Das Beste kommt noch“.

Nr. 5: April

Mein Fazit vorweg: das ist ein unterhaltsames, lesenswertes Buch.

Der Titel war bei mir Programm, denn ich bin mit falschen Erwartungen herangegangen und es wurde viel besser. Anders als der Klappentext – zumindest mir – suggeriert, ist es keine leichte Komödie mit vielen lustigen Gags rund um den Beruf und die Liebesverwirrungen eines Nachlasspflegers, sondern die melancholische, zunehmend liebenswerte Selbstfindungsgeschichte eines sympathischen, aber in festzementierter Einsamkeit  gefangenen Menschen, den die Liebe zwingt, sich endlich aus seinem selbstgewählten Schneckenhaus, das er aus den schlechten Lebenserfahrungen seiner Vergangenheit, persönlichen Verlusten, daraus resultierender Angst vor Nähe und Realitätsflucht gebaut hat, herauszuarbeiten.

Ihn auf diesem Weg zu begleiten macht Freude und man wünscht dem armen Kerl so sehr, dass er zurück ins richtige Leben findet, seine Liebe gewinnen und festhalten kann. Passend zur Entwicklung des Protogonisten hellt sich die Stimmung des Romans von anfangs deprimierender Tristesse in der Beschreibung seines einsamen Alltags immer weiter auf in eine zunehmende freundliche Heiterkeit, je mehr Andrew sein Leben selbst in die Hand nimmt und auf dem Weg in sein Glück fortschreitet. Das rundherum erfreuliche Ende hat mich mit einem Lächeln zurückgelassen, auch wenn mit dem vorläufigen Happy End längst nicht alle offenen Fragen beantwortet werden.

Bemerkenswert fand ich, dass der Autor es versteht, die schweren Themen von Tod, Entfremdung und Einsamkeit, die sich, nicht nur bedingt durch den Beruf des Helden, durch den ganzen Roman ziehen, sowohl mit Ernsthaftigkeit als auch Leichtigkeit zu behandeln. Immer wieder gewinnt er den traurigen Situationen, insbesondere wenn Andrew und Peggy die leeren Wohnungen einsam Verstorbener untersuchen müssen, auch komische Momente ab, so dass die stets dabei mitschwingende Melancholie nichts Bitteres an sich hat. Hier hat das Buch einige seine stärksten Momente. Berührend zu lesen ist auch die Überwindung, mit der Andrew seine ersten Schritte zurück in die Realität wagt. Dafür verzeihe ich, dass anderes für meinen Geschmack zu überzeichnet ist, wie z. B. die skurrilen und klischeebehafteten Kollegen.

Der Roman liest sich flüssig und unkompliziert und er ist trotz der stetigen Anwesenheit des Todes und dem traurigen Anfang leichte Kost. Man merkt der Handlungsentwicklung an, dass der Autor seine Hauptfiguren glücklich sehen will und folgt ihm dabei gern. Letzten Endes ist die Geschichte ein Plädoyer dafür, das Leben zu nutzen und das Glück selbst in die Hand zu nehmen, miteinander- und füreinander da zu sein und nicht zu warten, bis es einmal zu spät sein wird.

Nr. 6: Petra

Ich hatte mich sehr auf Richard Ropers „Das Beste kommt noch“ gefreut. London, Nachlassverwaltung, Irrungen und Wirrungen. Ich will es vorwegnehmen – überzeugt hat mich Richard Ropers Erstlingswerk nicht.

Die Geschichte lässt sich interessant an. Andrew ist ein klassischer Looser, der dringend einen neuen Job braucht. Nach einem abgebrochenen Studium und einigen Wechseln fiel er einer Rationalisierungsmassnahme zum Opfer. Selbst tatenlos ist es seine ehemalige Chefin, die ihm ein Vorstellungsgespräch bei der Londoner Nachlassverwaltung verschafft. Bereits vor dem Termin geht schief, was schief gehen kann und im Gespräch gibt Andrew unkonzentriert eine falsche (aber noch harmlose) Antwort auf eine nicht verstandene Frage. Statt sofort klarzustellen, dass er alleinstehend und kinderlos ist, malt er die Geschichte von Frau und zwei Kindern in einem netten Häuschen über Jahre hinweg in immer bunteren Farben aus.

Als Nachlassverwalter ist es Andrews Aufgabe, den Nachlass einsam Verstorbener zu sichten, Vermögen festzustellen und, falls er keine nahestehenden Personen ausfindig machen kann, das Begräbnis der Verstorbenen zu organisieren. Andrew gräbt sich durch zugemüllte und verwahrloste Wohnungen einsamer Menschen und geht schließlich so weit, dass er an sämtlichen Bestattungen selbst teilnimmt, als einziger Gast.

Er realisiert, dass ihm selbst ein ähnliches Schicksal blüht. Am Ende seines Lebens wird er ohne Trauergemeinde verscharrt werden. Ein Nachlassverwalter wird in seiner Einzimmerwohnung zu schaffen machen, durch Eisenbahnschienen und Platten wühlen, aber weder ein großes Vermögen noch einen sozialen Nachlass vorfinden. Andrew hat keine Familie, nur eine Schwester, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Freunde hat er ebenfalls nicht. Seine Freizeit verbringt er einsam und alleine, mit Ella Fitzgerald, seinen Modelleisenbahnen und virtuellen Bekanntschaften in einem Eisenbahn-Forum.

Im wahren Leben begegnet er nur seinen nervigen Kollegen. Erst als eine neue Kollegin zum Team stößt, kommt frische Luft in Andrews stickiges, enges Leben, noch immer von der nicht existenten Lügen-Familie flankiert.

Geradezu klischeehaft nähern sich Andrew und seine neue Kollegin Peggy an, werden „partners in crime“ und verlieben sich. Sie verlässt ihren saufenden Ehemann. Geläutert „bestattet“ Andrew in einer Hauruckaktion seine Lügen-Familie, gesteht allen, dass er jahrelang gelogen hat, macht mit einem ererbten Vermögen in Wohltätigkeit – und alles wird gut.

So in etwa das verkürzte Ende.

Es ist zweifelsfrei ein nettes Büchlein, das leicht an einem Stück wegzulesen ist. Weder erfolgt eine übermässige Belastung des Lesers mit juristischen Details der Nachlassverwaltung, noch wiegt eine Aufarbeitung psychologischer Hintergründe hinter Andrews Lügerei oder seiner Gewohnheit, stets nur zu reagieren, aber nie zu agieren, schwer. Weshalb stets Frauen das Heft seines Lebens in die Hand nahmen. Seine Exfreudin küsst ihn zuerst, seine Exchefin sucht einen Job für ihn, Peggy lädt ihn ein. Eine Aufarbeitung findet nicht statt.

Es bleibt bei der Feststellung, dass er seine erfundene Ehefrau den Namen seiner Exfreundin gibt. Wie er den erfundenen Lebenslauf ausschmückt, wie er auf die Details  kommt – es bleibt offen. Warum er nicht sofort klarstellte, dass er die Frage im Vorstellungsgespräch zu einem Job, den er letztlich gar nicht haben wollte, aber trotzdem bekommen hat, nicht verstanden hat, auch das wird nicht einmal angerissen.

Insgesamt bleibt der Autor, detailverliebt nur bei der Beschreibung der von Andrew vorgefundenen Wohnungen und der sonderlichen Verhaltensweisen seiner Kollegen, sehr an der Oberfläche und reiht insbesondere in der zweiten Hälfte des Buches auf dem zu offensichtlich drängenden Weg zum Buchende und damit der Auflösung des Plots eine für meinen Geschmack zu große Anzahl von Ungereimheiten aneinander.

Um nur wenige zu nennen:

Ein Chef drängt seinen Mitarbeitern als Teambuilding-Maßnahme auf, sich reihum zum Abendessen bei den Teammitgliedern zuhause zu treffen, mehr als sonderlich verlaufen.

Andrew verreist mit Peggy und ihren Kindern zu ihrer Schwester. Beide Kinder scheinen wenig verwundert über den gemeinsamen einwöchigen Ausflug.

Andrew schreibt in einem Eisenbahnforum. Rein zufällig sind drei Mitschreiber direkt „umme Ecke“ und es kommt zu einem spontanen Offline-Treffen noch am gleichen Abend. Die drei treten ohne Zögern aus der Deckung des virtuellen Forums und sind voller Verständnis dafür, dass Andrew jahrelang über sein wahres Leben gelogen hat. Kritik? Nachfragen? Fehlanzeige. Total normal, das alles.

Natürlich stellt ein Mitschreiber sein Haus zur Verfügung, damit Andrew seine Kollegen lügenkonform in einem Einfamilienhaus statt in seiner schrammeligen Einraumwohnung bewirten kann. Hey, es gilt ja nur zu klären, wer kocht.

Als Andrew sich Peggy offenbart, reagiert auch sie voller Verständnis. „Du musst eine Entscheidung treffen“ – so ihre Reaktion. Keine Kritik, keine Enttäuschung, Wut, Unverständnis, Fehlanzeige. Nur ein „Ich glaube an Dich“.

Wie realistisch ist eine solche Reaktion ob der Dauer des Lügens und der Intensität, mit der Andrew sein Doppelleben vorgegaukelt hat? Und vor allem – wie attraktiv ist Andrew mit dem, was sein wahres Leben ausmacht, für Peggy eigentlich und warum? Er ist reaktiv und schrullig, das erfahren wir von ihm. Natürlich ist der nette Andrew anders als der von Peggy verlassene Säufer Steve, aber sonst? In wen und was hat sie sich verliebt?

Auch als sich Andrew schließlich seinem Chef und seinen Kollegen offenbart, ist niemand sonderlich irritiert. „Ich möchte euch ein paar Dinge sagen“, das ist es und dabei bleibt es auch für einige Wochen, bis sein Chef immerhin bekennt, dass er das alles „verstörend“ fand.

Eine wirkliche Auseinandersetzung damit, wie Andrews Offenbarung und damit sein Lügen von den anderen tatsächlich aufgenommen wurde, lässt Roper nicht stattfinden.

Die Frage, die Roper nicht stellt und auch nicht beantwortet ist – Ist es wirklich so einfach?

Hat auch im wahren Leben jeder, der über eine lange Zeit so intensiv angelogen wurde, soviel Verständnis für ein solches Verhalten? Hinterfragt nicht, was zu den Lügen führte, warum es kein sofortiges Klarstellen gab, warum der Lügner jahrelang keine Möglichkeit gefunden hat,  mit dem Lügen Schluss zu machen sondern sich immer weiter verstrickte? Weil jeder die Situation nachfühlen oder nachvollziehen kann, was jemanden antreibt, an einer solchen Lüge festzuhalten? Einer Lüge, wer jemand ist, was er tut, wie er lebt? Ist das letztlich alles unwichtig? Was macht einen Menschen eigentlich aus, wenn es auf das Drumherum gar nicht ankommt? Sind das alles nur Äußerlichkeiten, oder machen solche Begleitumstände nicht doch auch die inneren Werte aus, den Menschen selbst?

Viele Fragen bleiben offen, für meinen Geschmack zu viele. So bleibt es bei einem Plot, der die Tiefe, die möglich gewesen wäre, leider nicht erreicht.

Nr. 7: Kangou

Mit der Modelleisenbahn aus der Komfortzone

“Und damit hatte er eine Familie, einfach so.”, Andrew Smith hat sich bei einem Bewerbungsgespräch als Nachlassverwalter in einem Moment der Unaufmerksamkeit als verheirateter Familienvater ausgegeben. Als er die Stelle dann wider Erwarten bekommt, kann er diese Lüge nicht mehr richtig stellen und muss fortan seine nicht existente Familie vor seinem Chef und den Kollegen am Leben erhalten. Mittlerweile sind fünf Jahre ins Land gegangen und für Andrew ist dies fast zum Teil seines Berufsalltags geworden.

Andrews tristes Leben zwischen Baked Beans aus der Dose abends vor dem Computer, während er sich mit einer Handvoll Modelleisenbahn-Aficionados austauscht und seinem absurd-komischen Arbeitsumfeld, ist aus meiner Sicht das, was den Erfolg der Geschichte ausmacht. Der leicht hyperaktive Chef Cameron, der die Gruppendynamik in seinem Team verzweifelt versucht mit “teambildenden Maßnahmen” anzukurbeln, aber auch die (un)geliebten KollegInnen Keith und Meredith sind glaubwürdig skizziert.

Dass Rooper es versteht die Tragikomik im richtigen Maß hervorzuheben, verleiht der zeitweise ernsthaften Thematik des Buches Phasenweise angenehme Leichtigkeit. Ob es um die Pornofilmsammlung geht, die Peggy und Andrew in der Wohnung eines einsam Verstorbenen entdecken oder ob sein “geradezu abstoßend gesund und modisch gekleideter” Schwager Carl bei der Trauerfeier von Andrews Schwester Sally “ein tiefes Heulen” ausstösst, Rooper schafft den Spagat zwischen blankem Zynismus und einer zenterschweren Dramatik in vielen Szenen.

Die Kindheit und Jugend Andrews, angesichts derer jeder Hobbypsychologe weinend Borderline diagnostizieren würde, wird leicht verdaulich stückweise in Rückblenden in die Handlung eingeflochten. Die Ironie mit der Andrew seine eigene Situation und Handlungsweise gedanklich kommentiert und reflektiert, bewahrt mich als Leserin davor, ihn als handlungsunfähiges Opfer, ja den personifizierten Looser wahrzunehmen. Da sind zum Beispiel jene kleine Szenen, in denen Andrew beim Zubereiten seiner Sandwiches fürs Büro – die ja auch als sichtbares Aushängeschild für das nicht existierende Familienleben dienen – einen Fernsehkoch imitiert, der vor einer nicht vorhandenen Fernsehkamera Belag und Zutaten anpreist. Es wird deutlich, der Mann hat nicht nur Humor, da ist auch mehr als ein Funke Lebenswille in ihm und kein Wunder, dass Neo-Kollegin Peggy diesen schnell entzündet hat.

Bevor ich aber weiter schildere, was mir in “Das Beste kommt noch” gefallen hat, möchte ich darauf eingehen, weshalb das Buch mich am Ende doch nicht überzeugen konnte. Die Geschichte kippt nämlich für mich ab einem bestimmten Punkt. Zunächst einmal ist da die Figur der Peggy, die ich bei aller Sympathie gegen Ende als unglaubwürdig empfinde. Gerade ist die Beziehung mit ihrem alkoholkranken Gatten nach Jahren in die Brüche gegangen und sie hat trotz Existenzsorgen und zwei (sicherlich traumatisierten) Kindern Zeit und Muße, Andrew nach seinem missglückten Suizid Händchen zu halten und ihn auf den rechten Pfad zu führen. Peggy ist ein dermaßen integerer, makelloser und weiblich fürsorglicher Charakter, dass es mich schon fast gruselt. Es scheint, Rooper wollte hier nach den empathiearmen-defizitären weiblichen Figuren wie der Mutter Andrews und seiner Schwester Sally, deren positive Intentionen erst nach ihrem Tod in Andrews Bewusstsein dringt, eine weibliche Überfrau – zwar mit einer gewissen Bodenhaftung – schaffen und das ist imho nicht gelungen.

Das erwähnte Kippen der Handlung empfinde ich allerdings in einem anderen Zusammenhang, nämlich als sich die Eisenbahn-Nerds in Andrews real life abseits der Modelleisenbahnschiene einfinden und mir-nichts-dir-nichts bereit sind das von Andrews Chef Cameron iniziierte Teamabendessen zu organisieren und bei einem von ihnen zu Hause abzuhalten. Für die die das Buch nicht gelesen haben: Andrews Chef Cameron hat durchgesetzt, dass jeder im Team ein Abendessen bei sich zu Hause geben muss, damit man sich abseits des Büros besser kennen lernt. Da Andrew bekanntermaßen in Wirklichkeit weder Frau, Kinder noch ein repräsentatives Eigenheim hat, springt er über seinen Schatten und bittet seine Freunde aus dem Modelleisenbahnforum, die er noch nie in echt getroffen hat um Hilfe. Obwohl die Idee nett ist und das Abendessen in Eisenbahnfreund Ruperts Haus Komik aufweist, finde ich das Ganze nicht realistisch. Ein Typ wie Andrew würde sich meinem Empfinden nach eher krank schreiben lassen um sich vor so einem Termin zu drücken, den völlig fremde Leute um Hilfe zu bitten. Dass die Figur Andrew sich weiterentwickelt und zunehmend aktiver in Lebens- und Liebesdingen wird, zeichnet sich zwar schon eine Weile ab, das Tempo ist jedoch suspekt. Immerhin gesteht er am Ende des Abends, dass seine Familie nicht existiert, was ihm unter anderem Peggys Zuneigung sichert.

Und so endet “Das Beste kommt noch” optimistisch, Peggy und Andrew finden sich und organisieren eine Initiative für vereinsamte Menschen, das Ergebnis: Friede, Freude gut besuchte Beerdigungen!

Nr. 8: Irit

Ich hatte meine Schwierigkeiten mit diesem Buch. Vermutlich weil die Verhaltensweisen von Andrew so ganz anders sind als meine, ich dachte zwischendurch: nun reiß dich mal zusammen. Ich konnte mich nicht in die Geschichte “hineinwühlen”, es hat mich einfach nicht so richtig berührt. Das war nicht mein Ding.

Wer liest noch mit?

Sehr schön.

Ich bin nicht ganz sicher, was mit den anderen Leserinnen des Buchclubs passiert ist – allerdings weiß man das momentan ja nie so genau. Ich hoffe, alle sind gesund und munter.

Und ihr anderen natürlich auch – macht euch ein wunderbares Osterwochenende (drinnen und mit Abstand!) und bleibt mir alle gesund!

Gedanken und Eindrücke zum Buch und zu den Rezensionen?

17 Kommentare

Kommentieren →

Ich hab die Beiträge voller Interesse gelesen. Kann es sein, das das die Frau in dem Buch wieder mal als selbstverständliche Helferin für die Probleme des Mannes beschrieben wird? Er kriegt sein Leben nicht auf die Reihe und lügt, dann kommt eine Frau mit selber großen Problemen, die sie zwar löst, aber auch nur, um vorrangig seine zu lösen und das dann als ihr Glück zu betrachten?

Ich lese wirklich gerne Liebesromane und entdecke fast nur noch 2 Plots: durchschnittlich aussehende Person mit thematisierten Gewichtsproblemen und großen Defiziten im Umgang mit Menschen und sich selbst lernt gut aussehenden, erfolgreichen, charmanten Mann kennen und nachdem sie ihm paar Mal verbal in die Eier getreten hat, ist er begeistert von ihrer Ehrlichkeit, überredet sich mehrmals, sie zu heiraten und unbedingt seine Milliarden zu teilen.

Oder: gutherzige Frau mit Helfersydrom, die nie gut behandelt wurde, sucht sich noch einen kaputteren Typen, hilft ihm, ganz Florence Nightingale, und hat mit ihm am Ende eine glückliche Beziehung. Jedenfalls relativ. Erst mal.

Wonach ich hungere, ist eine Frau, die versucht, ihre Träume zu verwirklichen, andere gut behandelt, sich selbst natürlich auch, einen Mann trifft, der das ganz genauso macht und sich beide in der Erfüllung ihrer Träume bestärken und sich trösten, wenn man kurz Rückschläge hat, ohne die böse Ex, die wie ein Model aussieht und zwischendurch auch nur das kleinste bisschen bewirken kann. Ich bin hungrig nach einem Buch, das keine nicht erzählte Kleinigkeit zum Trennungsgrund hochdramatisiert, sonden echte, kleine Krisen, die gemeinsam bewältigt werden (und wenn es blöde Kommentare im Internet sind, die was triggern und einen beschäftigen). Ich will großartige Frauen und Männer auf Augenhöhe, mit Träumen und mit Wegen, die zu verwirklichen, und zwischendurch zufrieden zusammenzusein!

Ich habe fertig.

Liebe Iridia,
ich empfehle Dir den schönsten zeitgenössischen Liebesroman, den ich zur Zeit kenne, zum Hören: Paardiologie. Da ist wöchentlich eine Stunde lang genau das drin, wonach Du hungerst. Ich übrigens auch 🙂

Hallo, das klingt interessant und ja, das mag ich auch, und dann lege ich ein Buch glücklich zur Seite bzw. nur dann schafft es den Weg ins Bücherregal. Neu im Regal und treffend: Nicht weg und nicht da von Anne Freytag (Jugendbuch), danach möchte man sich am liebsten einfach wieder neu verlieben, ungeachtet jeglicher Realität. Eine wirklich starke Frau (ohne Liebesgeschichte) zeigt ‚Die Listensammlerin‘ von Lena Gorelik, allerdings ohne Liebesgeschichte. Kannst Du noch Bücher empfehlen, die den oben genannten Kriterien entsprechen? Ich verschenke Weihnachten immer meinen Liebling des Jahres – das sind dann die Bücher, die ich voll und ganz empfehlen kann. Bisher stehe ich noch ohne Geschenk da :).
Liebe Grüße
Katrin

Ganz glücklich bin ich immer über die in mehreren Teilen morgens von halb neun bis neun vorgelesenen aktuellen Bücher auf NDRKultur, “Am Morgen vorgelesen”. (Folgen jeweils eine Woche im Netz nachzuhören.) Die Vorleser sind manchmal nicht gut ausgewählt, jedoch eher selten. So entdeckt man Schätzchen. Und spart sich einige Enttäuschungen…

Danke für umfassende Beschreibungen und differenzierende Sichtweisen. Lesen muss ich das Buch demnach nicht, könnte aber fundiert darüber mitreden.
Frohe Ostern!

Hallo Irit,
ich lese/las auch mit und hab den Termin verwechselt.
Ich war beim 19. als Abgabetermin.
Asche auf mein Haupt…
Trotzdem schöne Ostern Zuhause.
Edith

Wow! Wieder ein erstaunlicher Ausflug in die Perspektivendiversität von Lesern — haben wirklich alle das gleiche Buch gelesen?! ;-D Irit spricht ein Hauptkriterium an, das darüber entscheidet, ob wir mit einem Stoff können oder nicht: die Identifikation mit einer Hauptfigur.

Manche Kritiken gerieten mir persönlich zu lang für eine Buchkritik, die hab ich dann nur überflogen.

Interessant – trifft meine Schwierigkeit beim Schreiben sehr gut, ich war nämlich unsicher hinsichtlich Länge, d.h. Differenziertheit, und Schärfe. Wenn ich eine Rezension lese und einen Negativaspekt entdecke, wiegt der wie üblich stärker. Allerdings höre ich auch auf oder überfliege, wenn es zu lang ist. Aber wer das Buch lesen mag, hat ja hier die Auswahl. Ich fand die anderen Rezensionen jetzt natürlich sehr interessant und finde tatsächlich schon, dass man in vielen Rezensionen den Konsens durchaus herausliest. Liebe Grüße!

Noch eine Rezension – von Julia:

Hab mir diesmal sehr schwer getan da reinzukommen.

Was ist mit Andrew passiert, warum diese selbst auferlegte Einsamkeit, was geben ihm diese Beerdigungen denen er beiwohnt..skurril oder makaber?

Dann tritt Peggy in sein Leben und dann kippt es für mich. Ihre Figur war für mich nicht glaubwürdig. Wenn ich selbst so ein schwieriges Leben habe mit einem Alkoholiker und zwei kleinen Kindern, schaff ich es, einen vollkommen aus dem seelischen Gleichgewicht gekommenen Kollegen aufzurichten und sich auf ihn zu konzentrieren?
Und dann die virtuelle Freunde des Modelleisenbahnclubs. Wenn alle solche Nerds sind, würde so ein Abendessen niemals stattfinden.

Es war mir persönlich viel zu sehr „Friede Freude Eierkuchen“.
Leider nicht meins.

Es war wieder schön, die Rezensionen zu lesen. Ich hätte gerne mitgelesen, aber irgendwie hat es nicht geklappt, ich habe weder ein Buch noch ein eBook bekommen. Vielleicht beim nächsten Mal. ;-)))

Liebe Ostergruesse
Gabriele

Nachdem ich den Termin verbummelt habe, gibt es jetzt nur eine Kurzreview in den Kommis, ohne Inhaltsbeschreibung oder tiefere Analyse.

Zuallererst, ich mag den Schreibstil. Die Wortwahl, die Beschreibungen alles stimmig für mich. Ich kann das Verhalten der Hauptperson in Teilen sehr gut nachvollziehen. Aber irgendwann und ich kann nicht mal festlegen, wann genau oder weshalb, kippte es.
Der Spaß am Buch wurde weniger und das Verhalten der Hauptperson fing an, mich zu ärgern. Ich hab das mal auf die äußeren Umstände geschoben, aber vielleicht liegt es ja doch am Buch.
Einen schönen Ostermontag
Edith

Sehr interessant, eure verschiedenen Meinungen zu lesen. Ich habe das Buch als modernes Märchen gelesen, nett und unterhaltend, aber ein zweites Mal würde ich es mit etwas Abstand betrachtet tatsächlich nicht mehr aufschlagen.
Was mich zu einem Gedanken gebracht hat, den ich hier mal in die Runde geben möchte: wie bei Kosmetik gibt es ja auch bei Büchern wahre ENTpfehlungen, Bücher, bei denen man sich hinterher oder bereits beim Lesen fragt, warum man sie gelesen hat. Wie sie es überhaupt in den Druck geschafft haben und nicht selten sich sogar gut verkaufen. Mir fallen da einige Beispiele ein.
Irit, wäre das evtl. ein Thema, dass die leseaffinen Damen (und Herren) hier auch mal ihre totalen Flops im Bücherregal vorstellen? Ich könnte es mir unterhaltsam vorstellen und zumindest weiß man dann, welche Titel man gleich liegen lassen kann. Oder auch nicht, denn Geschmack ist bekanntlich individuell und nicht diskutabel.
Viele Grüße, April

das finde ich eine gute Idee – da fällt mir auf Anhieb auch so einiges ein.

Es gibt ja diese Bücher, die auf den Bestsellerlisten stehen. Man quält sich durch die ersten 100 Seiten und es wird einfach nicht besser. MIttlerweile entsorge ich dann gnadenlos.

Aufruf kommt!

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