Minimalismus: Hobbies

Kürzlich las ich über die erstaunliche Wandlung von Hobbies in den letzten fünfzig Jahren – und habe mich natürlich auch erwischt. Ein Hobby ist eigentlich etwas, das man in seiner Freizeit aus Spaß, Interesse oder auch aus Gewohnheit betreibt. Den Blog hätte ich früher zu 100% dazu gezählt, mittlerweile ist es auch ein bisschen Nebenjob geworden, aber nur ein bisschen. Aber darüber wollte ich überhaupt nicht schreiben, sondern über die Schönheit von angenehm verbrachter (oder vertrödelter??) Zeit.

Ich fand in dem Artikel den schönen Satz: “Und kann man eigentlich laufen gehen, ohne hinterher davon zu erzählen, dass man im Herbst für einen Halbmarathon angemeldet ist?”

Wann hat es eigentlich angefangen, dass man die Freizeit optimiert? Das geht schon los mit den Formulierungen: ich muss unbedingt den und den anrufen/treffen, unbedingt mal wieder Sport machen, in Konzerte gehen, ins Kino und so weiter und so weiter. Wahlweise die Interessen über Workshops, Kurse und so weiter optimieren. Tja, ist dann irgendwie Freizeitjob und nicht freie Zeit.

Ich habe für mich beschlossen, dass damit jetzt Schluss ist. Und zwar mit gutem Gewissen. Es gibt Sachen, die sollte man aus unterschiedlichen Gründen tun. Z.B. regelmäßig Krafttraining machen – einfach aus gesundheitlichen Gründen und als Altersvorsorge. Ich habe ja auch ein Tagesgeldkonto. Als Hobby würde ich das nicht bezeichnen, da liege ich doch lieber im Bett und lese oder höre Musik.

Wohingegen Tanzen ganz klar ein Hobby ist. Da wird nur in bestimmtem Rahmen optimiert und eigentlich auch nur, weil es Spaß macht. Und ich mache es nur für mich. Genau wie stricken. Eigentlich trage ich meine selbst gestrickten Pullover nicht sehr viel, aber die Erstellung bereitet mir Freude. Ich liebe es Strickmuster anzuschauen oder auch ein eigenes zu entwerfen, die richtige Wolle zu suchen (das kann ein längerer Prozess sein…) und dann meist über Monate das neue Stück zu erstellen.

Oder Musik hören. Es gibt ja Leute, die erheben Kultur zur Wissenschaft. Ich mag das nicht mehr. Nein, ich muss mir nichts im Kino anschauen oder in Konzerte gehen oder ähnliches mehr. Ich kann mir einfach meine Callas-CDs zum 100.ten Mal anhören und mich daran erfreuen. Ab und an mal auf Spotify etwas Neues entdecken. Aber das war es dann auch.

Womit wir beim ganz schwierigen Kapitel sind: lesen. Eintauchen in andere Welten oder sich einfach gut unterhalten lassen. Ich mag gute Bücher, aber allzu anspruchsvoll literarisch – nein danke. Warum soll ich mich in meiern freien Zeit durch etwas quälen, wenn ich einen schönen Krimi, einen amüsanten Roman oder einen spannenden Science Fiction lesen könnte? Genau. Ulysses und Co – ich werde euch niemals lesen und absolut nichts verpassen. Die hundert Bücher, die man gelesen haben sollte? Ohne mich.

Ich will Zeit für mich, vor mich hinbröseln, es vielleicht auch nicht besonders toll machen – ohne jeden Anspruch an besser, toller und vor allem schon gar nicht Social Media-tauglich. Das Erlebnis ist die verbrachte Zeit und nicht das Ergebnis. Das kann auch gerne aufs Meer schauen sein und einfach an nichts denken (nein, ich will weder meditieren noch achtsam sein, ich will einfach den schönen Anblick genießen).

Wie haltet ihr es denn mit der Freizeit? Und den Hobbies?

12 Kommentare

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Ach, was für ein schöner Beitrag. 🙂

Ich merke auch immer dann, wenn bei mir Ruhe einkehrt, ob im Geist oder bei einer Änderung der automatischen Angewohnheiten (Alkohol seit geraumer Zeit rasant zurückfahren) wie laut die Stimmen von außen brüllen und wie leise normalerweise die eigene ist. Fremdbestimmung, ob man es mitbekommt oder nicht, ist wohl eher der Normalzustand.

Es ist auch ein Unterschied, ob man Sachen macht, die einem gut tun oder ob sie nur Spaß machen. Man kann sich schnell im Spaß verlieren auf Kosten dessen, was einem gut tut. Sport z.B. macht mir manchmal irre Spaß, aber nicht immer. Oft muss ich mich aufraffen, aber: es tut mir langfristig wirklich sehr gut. Was ich esse und trinke ist auch so ein Thema (tut es mir gut oder schmeckt es lediglich oder hebt künstlich die Stimmung?) Einkaufen und Internet. Ich hätte früher nie gedacht, die Wohnung und die Ruhe und das einfache Beisammensein mit meinem Mann mal „so“ bewusst zu genießen. Manchmal ist es einfach schön, sich den Vollmond auf dem Balkon anzusehen und das Leben schön zu finden.

Sachen zu probieren, die andere machen ist ja auch nicht immer schlecht, sie erweitern ab und zu den eigenen Horizont, aber die Frage für mich ist inzwischen: mache ich das aus Ablenkungsgründen? Ich hab nicht mal was gegen Ablenkung, wenn sie nicht so fordernd dominant wäre.

Was du vom Stricken schreibst, gefällt mir. Du tust etwas für dich, weil dir das gut tut, du machst es nicht, weil du das Ergebnis willst. Mir geht es mit intensivem Musikhören so. Ich hab ein Apple-Music-Abo und höre seit einiger Zeit wieder neue Musik und Playlists, während ich die Texte gegenlese. Ich verliere mich darin und fühle mich danach tiefenerholt. Mitunter erlebe ich dadurch Stimmungen, die ich lange nicht mehr hatte, das Ausleben bereichert mich. Gerade geistig ist man doch ohnehin immer schon sehr viel beansprucht, der Ausgleich für Körper und Seele kommt dann immer zu kurz. Der Sprung zu dem bewährten Stimmungsmachern verdrängen kurz das Gefühl, das man was machen kann, womit man sich wirklich tief im Inneren gut fühlt. Bei mir ist es gerade weiter Moonwalk üben. Sieht keiner, braucht keiner, aber dieses magische Gleiten und dass es überraschenderweise lernbar ist, macht mich einfach glücklich. Warum bin ich früher nie darauf gekommen, sowas zu probieren, ein einfacher Tanzmove? Tanzen wird wohl auch ziemlich unterschätzt und es bringt einen auch kurz weg von ewig regen Geist, der sich endlich mal erholen kann. 🙂

Da sagst du was Iris. Man optimiert sich im Job und in der Freizeit so sehr, bis es nicht mehr geht und man sich hinterher fragt wie blöd man eigentlich war und das es völlig logisch ist, das wenn man 24/7 alles geben will irgendwann gar nichts mehr da ist.

Dann doch lieber eine Gartendoku auf arte oder sich im Hinterhof die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.

Ein Beitrag für mich gerade zur rechten Zeit. Ich habe momentan mehr Zeit als mir gut tut, zumindest dachte ich das bis vorhin. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich meine Zeit einfach so vertrödele oder mich in diversen Blogs verliere (Danke Irit und KK). Oder auf der Terrasse ein Loch in die Luft gucke.

Ich glaube, da hängt noch ganz viel Erziehung aus den 50- und 60er Jahren an einem. Der Wahlspruch meiner Mutter war: Du kannst alles, wenn Du nur willst! Eigentlich ja sehr fortschrittlich für die damalige Zeit, für mich aber bis heute auch irgendwie Anspruch, stets etwas zu wollen, dafür zu kämpfen und es schlußendlich auch zu erreichen.

Ich habe tatsächlich ein Problem damit, meine freie Zeit zu genießen und verzettele mich in Dingen (oder auch bei Menschen), auf die ich eigentlich gar keine Lust habe. Höchste Zeit, dass ich da was ändere. Vielen Dank!

Ein wirklich schöner Beitrag.
Das mit dem Stricken kann ich zu 100% unterschreiben – geht mir ganz genau so. Ich finde es einfach toll, mit den eigenen Händen was zu erschaffen. Ich sitze im Job nur am Rechner und mache immer wieder die gleichen Sachen – ähnlich wie die Hausarbeit – vorn fertig = hinten wieder anfangen. Da finde ich es sehr befriedigend, wenn man beim Stricken einfach mal ein Ergebnis sieht und der Weg zum Ergebnis auch noch Spaß gemacht hat.
Ansonsten übe ich mich gerade in absoluter Entspannung und versuche, einfach mal “den Mond” anzuschauen ohne Gedanken oder Bewegungen jedweder Art. Aber mittlerweile bin ich wohl auch schon in diesen Optimierungswahn gefangen und ich habe hinterher (noch) ein schlechtes Gewissen, dass ich mit meiner wenigen Freizeit nicht was “Sinnvolles” bzw. “Vorzeigbares” angefangen habe. Es ist ein schwerer Weg. Ich arbeite weiter daran.

Und wisst ihr, was ich gerade auch noch beschlossen habe? Irgendwo zwischendurch ist mir die Freude am Schminken abhanden gekommen, es wurde immer mehr der neutrale Einheitsbrei. Früher habe ich stundenlang neues ausprobiert und rumgepinselt (genau wie meine kleine Tochter jetzt), das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht.

Schluss damit – dafür werde ich mir wieder Zeit nehmen. Und am Wochenende erstmal ein paar neue Sachen shoppen gehen. Jawohl.

Sorry dass ich jetzt furchtbar kleinkariert und klugscheißerisch reinplatze, aber in der Deutschen Sprache existiert ein Wort wie “Hobbies” nicht :-(.
Es sind – und wahrscheinlich auch immer schon waren – Hobbys.
Mache mich jetzt ganz klein … (vor allem da ich ohnehin die deutsche Sprache nicht optimal beherrsche, man verzeihe mir fehlende Artikel)

Und damit ich dennoch nicht so völlig am Thema vorbei kommentiere – ich habe schon immer Handarbeiten als Hobbys erwähnt – egal wie uncool (damals) oder cool (jetzt) mein gegenüber das empfand. Hobby ist für mich das wobei ich entspanne. Gerne auch völlig sinn- oder zweckfrei – ich bastel gerne Schmuck obwohl ich keinen trage. Und bloß keine Optimierung, keine Kurse, keine Zwänge. Und keine Rankings, was denn als Hobby taugt oder nicht. Alles ist erlaubt was gefällt (und anderen nicht schadet).

hm, du hast recht – das ist die englische Schreibweise! Und mit solchen Sachen kannst du mir als bekennendem Klugscheißer immer gerne kommen 😉

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