#metoo: Sexismusdebatte

Seit einigen Tagen ist die Sexismusdebatte wieder richtig hochgekocht. Auslöser war ein Mann, der Frauen mit einer Macht erpresst hat. Ekelhaft. Was mich aber positiv stimmt, ist die Entwicklung der Debatte.

Ich möchte mir kein Urteil darüber erlauben, wie oft frau in eine Situation kommt wie diverse Schauspielerinnen bei Weinstein – denke aber, dass dies im alltäglichen Berufsleben eher nicht so oft der Fall ist. Hoffe ich.

Als ich die ersten Kommentare und Artikel vor einer Woche las, dachte ich zunächst: ich doch nicht. Ich bin nie Opfer einer Vergewaltigung oder von Missbrauch geworden. aber dann kamen sie, all die kleinen sexistischen Alltagsgeschehnnisse. Ich erinnere mich an einen Manager, der mir vor zwanzig Jahren ganz offen gesagt hat, dass ich den Job nicht bekomme, weil ich ja schwanger werden könnte. Und all die “Komplimente”, die im Berufsleben aber auch wirklich nichts zu suchen haben.

Ein Beispiel: ich kam morgens um halb acht in München an, war noch nicht so richtig wach (Aufstehen um viertel vor fünf) und stand am Schalter von Europcar, um den Schlüssel für meinen Mietwagen zu holen. Übrigens am “Privilege”-Schalter, da ich viele Anmietungen habe und dazu noch mit einer E.ON-Karte. Der Mitarbeiter warf einen Blick auf meinen Führerschein (Jg. 84) und machte mir eher zweifelhafte “Komplimente” zu meinem Aussehen mit 18. Im Nachhinein erstens unverschämt und zweitens sexistisch. Und noch schlimmer: ich kam überhaupt nicht auf die Idee, die passende Antwort zu geben. Vielleicht weil ich noch müde war, vielleicht aber auch, weil man als Frau an diese Art von Kommentaren im beruflichen Umfeld gewöhnt ist. Ich merkte es erst im Nachhinein.

Schluß damit.

Ich will mir so etwas nicht mehr anhören. Und noch viel weniger möchte ich, dass meine Töchter sich so etwas anhören müssen. Ich habe mir für mich ein paar passende Anmerkungen dazu überlegt und ich werde mit meinen Töchtern üben. Zum einen derlei Situationen zu erkennen und zum anderen richtig zu reagieren.

Ein anderer Aspekt an der ganzen Debatte: es gibt diverse männliche Kommentatoren, denen die Situation wohl gerade erst so richtig bewusst wird. Und sie tun etwas. Nicht nur das eigene Verhalten überdenken, sondern mehr. Nämlich nicht verschämt weghören, wenn andere Männer sich sexistisch benehmen, sondern aktiv werden. Finde ich gut.

Manchmal denke ich über die letzten dreißig Jahre nach und wie wenig und vor allem wie langsam sich die Dinge ändern. Im neuen Bundestag sitzen wieder weniger Frauen – den Klüngel-Landeslisten der Herren sei Dank. Und ich frage mich, wie lange die alten (sei es tatsächlich oder nur im Kopf) Männer sich das noch leisten können. Es gibt viele Unternehmen, die sich schlicht eine 0%-Frauenquote für den Aufsichtsrat erlauben. Tja, die armen Männer, brauchen eine 100%-Männerquote. Aber ich bin mir auch ganz sicher: da kommt die biologische Lösung, diese Gesinnung stirbt zumindest in Deutschland so langsam aber sicher aus. Wortwörtlich. Die nachfolgende Generation hat (zumindest in meiner Wahrnehmung) ein komplett anderes Bild der Geschlechterrollen.

Wie seht ihr die Sexismusdebatte? Und gibt es hier auch nur eine einzige Frau, die noch keinen Sexismus erfahren hat??

6 Kommentare

Ich finde die Debatte auch gut, umso mehr, als dass es hier generell um herabwürdigendes, sexualtaxierendes Verhalten geht, das es übrigens auch unter Frauen gibt.

Eine Frau außerhalb des Privaten in erster Linie danach zu beurteilen, ob sie sexy aussieht, legt dann schon einen Grundstein für eine Sicht fest, wie Frauen sein sollen, Werbung in dieser Richtung, öffentliche Komplimente über Aussehen, die einer US-Studie zufolge das Ansehen der Referentinnen sinken ließ (hab ich damals bei der Brüderle-Debatte gelesen) – generell scheint mir die Art, wie intensiv Aussehen thematisiert und sexualisiert wird, ein guter Boden für offenes Verhalten in der Richtung zu sein.

Mir kam damals bei Brüderle die Aufregung auch zu groß vor, das kann aber lediglich ein Zeichen dafür gewesen sein, dass ich das so gewohnt war. Mich hat die Debatte damals auch sensibilisiert und jetzt trifft es schon auf anderes Denken als davor.

Ich finde es super, Irit, dass du mit deinen Töchtern üben willst. Mich würde es interessieren, was du machen wirst; wenn du hierzu zu einem späteren Zeitpunkt nochmal was schreiben würdest, wäre ich sehr dankbar.
Ansonsten kann und will ich gar nicht so viel zu dem Thema sagen außer: Ich denke, es gibt keine einzige Frau (auch nicht in Deutschland), die noch nicht ein Opfer von sexismus geworden ist. Auf die eine oder andere Weise. Einiges davon ist im Vergleich zu körperlicher Belästigung harmlos, aber die Haltung dahinter ist natürlich trotzdem nicht ok. Und ich habe auch immer wieder das Problem, dass ich nicht weiß, wie ich reagieren soll – ich wurde dazu erzogen, höflich und freundlich zu sein, und dann weiß ich erst mal nicht, wie ich reagieren soll, wenn mir zum Beispiel der Verkäufer im brillengeschäft meine Doktorarbeit erklären will (wirklich passiert – klassischer Fall von mansplaining). Von daher würde ich mich über Anregungen zum Verhalten in solchen Situationen wirklich freuen!
Und ja, ich denke auch, das Problem wird teilweise einfach aussterben; aber trotzdem wird es dadurch nicht komplett beseitigt sein…

ich überlege noch, was und wie ich es genau machen möchte – aber wenn wir soweit sind, schreibe ich gerne darüber!

Je nach dem was man für eine Beziehung zu den Kindern hat, und wie alt sie sind, ist es sicher schon hilfreich davon am Abendbrottisch zu erzählen, wenn man so den Tag bespricht. Quasi “Ach wisst ihr was mir heute blödes passiert ist? Da war ich doch beim Europecarschalter und dieser Spacken am Empfang sagt doch tatsächlich XY. Das hat mich so aufgeregt. In dem Moment ist mir nichts eingefallen aber ich hätte xy sagen sollen. ”

So wissen die Kinder das das Verhalten der Person falsch war, das es okay ist darüber wütend zu sein und wie man reagieren könnte.

Hallo,
Ich denke auch, dass es kaum eine Frau gibt, der es noch nicht passiert ist. Allerdings bin ich wegen der Debatte anderer Meinung. Ich finde die Stimmung kippt. Dadurch, dass jetzt jeder A-Z Promi mit Geschichten um die Ecke kommt und viele die Debatte anscheinend benutzen um Aufmerksamkeit zu bekommen, wird eher das Gegenteil erreicht. Warum melden sich denn jetzt erst die ganzen Promis? Eine Angelina Jolie hatte doch schon vor Jahren den Status und die Macht, um etwas ins Rollen zu bringen. Und speziell in diesem Fall wird es halt auch leider genug Frauen geben, die aufgrund Ihrer Karrieraussichten mitgemacht haben. Ich wünsche mir auch für meine Tochter, dass sich da was ändern wird, sehe aber leider auch das Problem bei den Frauen die damit kokettieren und Sex für Ihre Zwecke benutzen. Also bitte nicht falsch verstehen, jedes Opfer ist Zuviel und meiner Meinung soll eine Frau auch nackt rumlaufen dürfen ohne das sie sich Anmachsprüche anhören muss. Nur wie die Debatte mit dem Hashtag metoo geführt wird,halte ich eben für kontraproduktiv.
Viele Grüße Dani

@ Dani

Soweit ich es mitbekommen habe, haben mehrere Frauen in Hollywood durchaus schon vor Jahren laut und deutlich gesagt, was für ein Schwein Harvey Weinstein ist – aber es wurde immer abgetan und niemand hat sie richtig ernst genommen. Das zeigt ganz deutlich, dass der Zeitpunkt für diese Sexismus-Debatte in Hollywood einfach erst jetzt reif war. Traurig, aber wenigstens passiert jetzt etwas. Angelina Jolie hat übrigens kürzlich gesagt, sie hätte immer Frauen davor gewarnt, mit Weinstein zusammen zu arbeiten. Es scheint so, als ob alle mehr oder weniger bescheid gewusst hätten, aber die meisten Leute einfach zu Weinstein gehalten haben und nichts ändern wollten …

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