Minimalismus

Egal, wo man liest. Entweder wird aufgeräumt und aussortiert oder wahlweise gleich alles verkauft, bis nur noch ein Koffer mit persönlichen Dingen übrig ist. In den Wohnblogs vorzugsweise sehr leere Räumlichkeiten in beige oder schwarz-weiß mit einer einsamen Vase auf dem Sideboard. Und dazu diverse Listen, was man alles entsorgen kann. Plus Tiny House. Einfach mal bei Bloglovin suchen, die Anzahl der Beiträge ist unüberschaubar.

Minimalismus als Lebensstil bedeutet kurz gesagt: bewusster Verzicht, um Platz für das Wesentliche zu schaffen.

Das bezieht sich dann auf die irdischen Besitztümer bzw. die Sachen, mit denen wir tagtäglich umgeben sind. Und die Möglichkeiten sind schier endlos, da gibt es die Methoden für den kleinen Start (jeden Tag etwas entsorgen oder verschenken) bis hin zum umfassenden Reboot – allen voran die KonMari-Methode. Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und offensichtlich hat es bei mir doch Wirkung hinterlassen. Die Kernbotschaft: behalten, was einen glücklich macht. Alles andere weg.

Das geht dann teilweise soweit, dass es Leute gibt, die nur noch einen Koffer mit Dingen besitzen. Nun ja.

Natürlich ist das alles eine Gegenbewegung zum ständigen Konsum und noch ein bisschen mehr kaufen, noch mehr haben wollen.

Ich neige nicht zu radikalen Lösungen, hatte aber aufgrund meiner Trennung samt anschließender Generalüberholung und Einrichtung meiner Wohnung eine einmalige Gelegenheit. Und wie es aussieht, habe ich die wohl unbewusst genutzt. Ich fand nämlich kürzlich eine Liste mit 50 Dingen, die man doch bitte endlich mal entsorgen soll und hatte davon – nichts.

Ich bemerke außerdem immer mehr meine protestantischen Wurzeln – Sparsamkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein. Insbesondere bei ersterem bin ich ganz vorne mit dabei, demnächst gibt es noch einen Post zu meiner Lieblings-Haushaltsbuch-App. Und wer schon mal in einer protestantischen Kirche war, der weiß, wie Minimalismus aussieht.

Mittlerweile gibt es schon wieder eine Gegenbewegung, Leute, die ihre Dinge behalten, weil sie sie mögen. Oder sie sich nicht trennen wollen.

Ich denke, ein bisschen Minimalismus schadet nicht und insbesondere die Devise, nur Dinge zu behalten, die glücklich machen, hat etwas. Glücklicherweise gehören dazu auch meine unbekannte Anzahl an Schuhen. Sie machen mich alle glücklich. Aber man sollte es auch nicht übertreiben, ich finde sowohl leere Wohnungen als auch völlig zugestopfte gleichermaßen grauslich.

Offen ist dann nur die Frage: was ist denn das Wesentliche? Womit wir dann beim Hygge-Trend wären…

Was denkt ihr über die Minimalismus-Welle?

8 Kommentare

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Dinge zu behalten, die man mag, sind für mich ja eine Facette des Minimalismus. Für meine Empfindung trennt man sich nur von den Sachen, die Fehlkäufe waren, dann wenn man es inzwischen durch was Besseres ersetzt hat oder z.B. nur für den Moment gekauft und nutzen wollte.

Ich hab auch zwei mörderische Sammlungen: rote Lippenstifte, Backformen, Messer und Kochbücher, dafür versuche ich andere Bereiche kleiner zu halten, wobei Blushes daran arbeiten, zur ersten Kategorie zu wechseln.
Für mich bewährt sich das System, so 3-4 Leidenschaften zu haben, die eines Tages trotzdem komplett rausfliegen können, den Rest aber überschaubar zu halten. Mir reicht eigentlich inzwischen das echte Gefühl, im Fall der Entscheidung ohne all das gut leben zu können und dann wieder nach aktueller Priorität neu zu schaffen.

“Moralisch Veraltetes” wegzuwerfen führt bei mir immer zu einer Steigerung von Energie und Lebensfreude. Offenbar belastet mich das unbewusst sehr viel mehr, als mir klar ist. Mitunter ist genau die Wehmut beim Weggeben eines *ehemals* geliebten Stücks das, was die neue Freiheit auslöst. Hier fällt mir der Spruch der Buddhisten ein, das man in eine schon volle Tasse keinen frischen Tee mehr geben kann. Man wird also von den Energien der Vergangenheit bestimmt – oder von den heutigen.
In den meisten Fällen sind es Mischungen aber bei sehr vielen, auch mir z.B. fehlt einem schnell der emotionale Raum für Neues oder es stört regelrecht, weil man noch satt vom Vorgestern ist, das einen immer noch materiell erschlägt, obwohl ein Teil gern zum Heute wechseln würde, in dem man mental schon eine Weile ist.

Sorry für das lange Geschwafel. Kürzer ging es nicht. 🙂

Irgendwie sind wir uns ähnlich… ich habe gerade meine Sammlung an roten Lippenstiften drastisch reduziert und den Rest verschenkt. Jetzt sind nur noch 9 Stück da – die ich auch tatsächlich benutze.

Und ich mag den Spruch mit der vollen Tasse und dem frischen Tee – sehr wahr.

Ich bin vermutlich eine Kreuzung aus Messie und Minimalist 🙂 … es dauert lange, lange, lange, bis ich mich zum Ausmisten/Entrümpeln aufraffen kann – währenddessen und kurz danach herrscht fast sowas wie Euphorie … die dann – so sicher wie das Amen im Gebet – relativ bald gedämpft wird, weil ich schmerzlich etwas vermisse (“verdammt, das hätte ich jetzt brauchen können!”), von dem ich bis zum Entrümpeln nicht einmal mehr etwas wusste. Tja 😉 …

Sich von einigem befreit zu haben, “leichter und freier” zu fühlen, diesen Zustand schätze ich zwar über alle Maßen, er lässt sich leider nur sehr schwer mit meiner Bequemlichkeit und meinen wechselnden (Sammel-)Leidenschaften vereinbaren. Waren es als junge Erwachsene tolle Schuhe (als ich endlich ein bisschen besser verdient habe, Autos hätten mich damals zwar noch viel mehr interessiert, aber das passte leider nicht mit meinem Einkommen zusammen ;-))), folgten wenig später wie bei Iridia Kochbücher, und seit einigen Jahren sind es schöne Gartenbücher und -Zeitschriften – was man zwar meinem Garten nicht ansieht .. die davor genannten meiner Figur aber leider schon :-(. Auch hier arbeite ich gerade daran, meinen Körper und hoffentlich auch mein Leben (die Kilos haben sich nicht nur alters- und genussbedingt angesammelt, sondern sind zum Teil auch echter Kummerspeck) wieder leichter und aufgeräumter zu machen …

Ich drücke dir die Daumen, dass dein Leben leichter wird und der Kummerspeck auch leichter wird und einfach verschwindet

Vielen Dank für Deine netten Worte :-)! Zumindest gewichtsmäßig habe ich schon etwas Erfolg … ich “weightwatchere” in Eigenregie und habe in den letzten zwei Monaten 5 Kilo (7 % meines Körpergewichtes) verloren .. jetzt mache ich Pause, um das “Abstürzen” von Gesicht und Busen zu vermeiden, und versuche in den nächsten Wochen nur das Gewicht zu halten, bevor ich die nächste Etappe in Angriff nehme.

Hallo,
ich glaube, daß viele Menschen einfach Orientierung suchen. Und dabei kann Minimalismus helfen. Wir leben halt in einer übersättigten Welt – 50 Fernsehprogramme, 20 Sorten Joghurt im Supermarkt, -zig Lippenstifte im Schrank und auch die Auswahl der Freizeitmöglichkeiten ist enorm – mehr als so mancher (er)tragen kann. Minimalismus schafft da wieder eine überschaubare Ordung. Und Ordnung bedeutet Behaglichkeit.
LG Tina

ja, da ist mit Sicherheit etwas dran. Mir hat meine Ordnung (die ich komplett selbst bestimmen konnte) bei meiner Neuausrichtung im Leben sehr geholfen – war sozusagen mein Ruhepol

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